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Oranienburg ist der Renner bei den Berlinern

■ Langsam steigt die Zahl derer, die der Stadt gänzlich den Rücken kehren und ins Umland ziehen / Berlin und Brandenburg haben sich auf 26 Siedlungsschwerpunkte verständigt

Für einen Kurztrip zieht es die Berliner von Wochenende zu Wochenende ins grüne Umland, in die Wälder und an die Seen. Doch den Entschluß, sich dauerhaft in Brandenburg niederzulassen, wagen noch die wenigsten. Daran ist nicht nur die in vielen Gemeinden noch immer mangelhafte Infrastruktur schuld. In Städten wie Potsdam, das zu den reizvollsten Orten des Nachbarlandes gehört und über einen beeindruckenden Bestand an Gründerzeit-Villen verfügt, wirken die in vielen Fällen ungeklärten Rechtsansprüche früherer Eigentümer „offenbar abschreckend“, wie der Sprecher des Brandenburger Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung, Florian Engels, meint.

Nur langsam nimmt die Zahl derjenigen zu, die seit dem Ende der DDR ihren Hauptwohnsitz ins Umland verlagern. 1990 waren es nach Angaben des Berliner Landesamtes für Statistik 5.072 Berliner, im Jahr darauf 6.852 und 1993 10.978. Während die Landeshauptstadt Potsdam unter den Berliner Zuzugszahlen jeweils 1990 und 1993 am untersten Ende der Skala rangierte, entwickelt sich insbesondere der nördliche ehemalige Landkreis Oranienburg zum Renner. Der Trend des vergangenen Jahres, in dem Oranienburg mit 2.046 Berlinern den Spitzenplatz übernahm, hat sich im ersten Quartal dieses Jahres fortgesetzt: Rund ein Fünftel der Umzügler zieht es dorthin. Für die Berliner Umweltverwaltung ein überraschendes Phänomen, wie der zuständige Referatsleiter für die gemeinsame Regionalplanung, Michael Stoll, erklärt: „Wir nehmen an, daß dort die Baugenehmigungen inzwischen zügiger als anderswo in Brandenburg ausgesprochen werden.“

Um eine anarchische Zersiedlung des Umlandes zu verhindern, arbeiten Berlin und Brandenburg seit geraumer Zeit an einem „Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum“, kurz LEPeV genannt. Insgesamt umfaßt der Plan ein Gebiet von rund 5.000 Quadratkilometern mit rund 4,3 Millionen Einwohnern. Davon entfallen nur 750.000 auf Brandenburg. Um den ungehinderten und nach westdeutschen Maßstäben oftmals rechtswidrigen Bauboom, der kurz nach der Wende in vielen Gemeinden einsetzte, zu ordnen, verständigten sich mittlerweile die Senatskanzleien beider Länder auf 26 Siedlungsschwerpunkte. Wie ein Ring ziehen sie sich um Berlin.

Vornehmlich ist daran gedacht, die Siedlungsschwerpunkte dort auszuweisen, wo es bereits Gewerbe- und Industrieansiedlung gibt und eine Nahverkehrsanbindung besteht. Bis zum Jahr 2010, so die Berliner Planer, wird im LEPeV- Bereich mit einem Bevölkerungszuwachs von bis zu 300.000 Menschen gerechnet. Bis vor kurzem stießen in Brandenburg die Berliner Neubauvorhaben auf dem nordöstlichen Stadtgebiet auf Kritik. Berlin hat jedoch versichert, die Planungen von der konkreten Entwicklung der Einwohnerzahl und den Möglichkeiten des Haushaltes abhängig zu machen. „Der Nordosten bleibt ein potentieller Siedlungsbereich“, so Stoll.

Zwar soll nach dem jetzigen Stand der Dinge bis zum Jahr 1999 die Länderfusion stattgefunden haben. Solange aber die Absichtserklärungen noch in keinen festen Rechtsrahmen gegossen sind, beäugen sich Berlin und Brandenburg weiterhin mißtrauisch. Stets im Hintergrund steht die Sorge, das eine oder andere Bundesland könnte sich durch exorbitante Ausweisung von Flächen für den Wohnungsneubau oder Industrie und Gewerbe zusätzliche Steuereinnahmen sichern. Einig ist man sich jedoch in der Einschätzung, das Bauen auf der grünen Wiese unter Kontrolle zu bringen. „Unser Hauptziel lautet: Verdichtung der innerstädtischen Räume“, meint Engels. Severin Weiland

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