: Krach um Italiens Parlamentspräsidentin
■ Irene Pivetti will neue Katholikenpartei und wettert gegen Abtreibung
Rom (taz) – Mit Sprüchen über die „Autorität Gottes, die jede menschliche Autorität leitet“, die Christdemokraten, die „niemals den Abtreibungsgesetzen hätten zustimmen dürfen“, und die Notwendigkeit, „eine neue Partei des Katholizismus zu gründen“, verwirrt Irene Pivetti derzeit Freund und Feind. Auch überzeugte, praktizierende Katholiken halten die zuletzt beim „Fest der Freundschaft unter den Völkern“, einem Treffen des katholischen Fußvolks in Rimini, lautstark verkündeten Vorschläge der Abgeordnetenhaus-Präsidentin für „unangemessen und überzogen“. In den Reihen der Linken mehren sich derweil Rücktrittsforderungen.
Umberto Bossi, Chef der norditalienischen Ligen, aus deren Reihen Frau Pivetti kommt, suchte die Ausfälle mit Bemerkungen wie „Ihr kennt sie doch, die ist halt so“ herunterzuspielen. Pivettis ehemaliger Mentor Gianfranco Miglio, Verfassungsrechtler und mittlerweile zur Gründung einer eigenen sezessionistischen Partei übergegangen, hält zwar „den Inhalt der Äußerungen Irenes für gerechtfertigt“, als „Inhaberin des dritthöchsten Staatsamtes“ habe sie sich „jedoch besser zurückzuhalten und zu kontrollieren“. Selbst aus hohen Kirchenkreisen kommt Kritik: Weder gebe es „derzeit ein konsistentes Katholikenvolk“, tat der Bischof von Acerra, Don Antonio Riboldi, kund, „noch das Bedürfnis nach Gründung einer einheitlichen Christenbewegung“. Und die Bemerkungen zur göttlichen Autorität „stammen sowieso aus dem vorigen Jahrhundert“.
Daß die einschlägigen Äußerungen Pivettis nur „entschlüpft“ seien, scheint ausgeschlossen: Bereits vor ihrer Nominierung galt die 33jährige als geradezu fundamentalistisch vom katholischen Glauben überzeugt. Sie hielt engste Beziehungen zum Vatikan, setzte sich gegen den liberalen Mailänder Kardinal Martini ein – und dachte sich ihre Invektiven mit Sicherheit als „Flankenschutz“ für den Papst, der unmittelbar vor der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz nahezu täglich Angriffe auf alle bisher vorgelegten Vorschläge zur Geburtenkontrolle macht. Auch die Idee des „Heiligen Vaters“, die Konferenz durch einen spektakulären Besuch in Kairo zu unterlaufen, hält Pivetti für prima – „Wenn er mich dazu einlädt, werde ich mitfahren“.
Daß Irene Pivetti auch in Zukunft zu verwirrenden Manövern neigen wird, halten alle Beobachter für ausgemacht. Und so werden hinter der vorgehaltenen Hand bereits mögliche Nachfolger gesucht. „Wenn die mal was im Kopf hat, dann geht sie durch die Wand“, bemerkt Liga-Chef Bossi. Und deshalb will er im Falle einer Neubesetzung „darauf sehen, daß wir nicht noch mal eine Jeanne d'Arc wählen“. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen