: Hochfliegende Pläne
Die Flugzeugindustrie rechnet mit gigantischen Zuwachsraten / Hoffnungen richten sich auf Asien / Airbus will auf den Rüstungsmarkt ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) – Die Flugzeugindustrie hat ihre Geschäfte schon abgeschlossen. Heute und morgen sind Schaulustige auf der Internationalen Luftfahrtausstellung in Farnborough bei London willkommen. 20.000 BesucherInnen werden von den 600 Ausstellern erwartet. Im Mittelpunkt steht die Concorde, die ihren 25. Geburtstag feiert. Auch beim „Raumzeitalterpark“ mit echter Abschußrampe vom europäischen Ariane- Programm sowie einem „Live-Satellitenbild“ von der Erde wird Gedrängel erwartet.
Die Flugzeugindustrie aber konzentriert sich auf weltlichere Dinge. Airbus, das Konsortium aus British Aerospace, Deutsche Aerospace, der spanischen Casa und der französischen Aerospatiale, hat sich in Farnborough Aufträge für 14 Passagierflugzeuge im Wert von umgerechnet 1,4 Milliarden Mark gesichert. Ohnehin sollen für die Flugzeugindustrie schon bald rosige Zeiten anbrechen. Das geht jedenfalls aus Untersuchungsberichten von Airbus und Boeing hervor, die unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind: Bis zum Jahr 2013 werden rund 14.000 neue Flugzeuge mit mehr als 100 Sitzen benötigt – die Hälfte davon wegen des wachsenden Marktes. Denn der Flugverkehr soll sich bis 2013 verdreifachen. Gesamtwert der zu erwartenden Aufträge: tausend Milliarden Dollar.
Freilich hat die Sache noch einen Haken: Die Kundschaft, also die Fluggesellschaften, haben in den vergangenen vier Jahren umgrechnet 25 Milliarden Mark Verlust gemacht. Zwar erwarten sie in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1989 wieder Gewinne, weil die Passagierzahlen um acht Prozent und der Frachtverkehr um 13 Prozent gestiegen sind. Doch das ist trügerisch: Es sind vor allem Sonderangebote, die mehr Menschen in die Luft locken. Profite lassen sich damit langfristig nicht machen. Deshalb sind Sparmaßnahmen im Personalbereich und der Abbau überschüssiger Kapazitäten angesagt.
Darüber hinaus hat British Aerospace, die mit 20 Prozent bei Airbus beteiligt ist, einigen maroden Fluggesellschaften den Kampf angesagt. „Es hat keinen Sinn, bei den Investoren oder an der Börse Geld aufzutreiben, um es in lausige Fluglinien zu stecken“, meinte Geschäftsführer Dick Evans am Eröffnungstag der Ausstellung in Farnborough. „Die Hersteller werden solche Dreigroschenlinien in Zukunft nicht mehr unterstützen.“
Die Flugzeugindustrie – im Bereich der großen Passagiermaschinen besteht ein Duopol aus Boeing und Airbus, während der Marktanteil von McDonnell Douglas auf drei Prozent geschrumpft ist – hat ein gieriges Auge auf den asiatischen Markt geworfen. Kein Wunder, sind die Wachstumsraten doch atemberaubend, wie sich an der Zahl der neuen Flughäfen ablesen läßt: Allein in den Ost- und Südprovinzen Chinas sind derzeit 22 Airports im Bau. Hongkongs neuer Flughafen Chep Lap Kok wird 1998 eröffnet, Osaka, Seoul, Kuala Lumpur und Bangkok planen ebenfalls Neubauten. Und die JapanerInnen fangen gerade erst an zu reisen.
Airbus hat sich in Farnborough bei zwölf der großen Fluggesellschaften aus Europa, Asien und den USA umgehört, ob die Pläne für den geplanten Doppeldecker A3XX mit 850 Sitzen auf Interesse stoßen. Er soll der Boeing 747 Konkurrenz machen.
Das Airbus-Konsortium will künftig auch auf dem geschrumpften Rüstungsmarkt mitmischen. Gemeinsam mit der italienischen Alenia will man ein neues Militärtransportflugzeug – Arbeitstitel: „Future Large Aircraft“ (FLA) – entwickeln, das ab 2002 die Typen Hercules, Transall und G222 ersetzen soll. Das Projekt sichere 35.000 Arbeitsplätze in Europa, behauptet Dick Evans. Es steht in direkter Konkurrenz zum C-130 J von Lockheed, das zwar ebenfalls noch nicht lieferbar ist, jedoch lange vor dem FLA fertig sein wird.
Lockheed, die demnächst mit der Firma Martin Marietta zu Lockheed Martin fusionieren wird, rechnet damit, 700 Flugzeuge verkauft zu haben, bevor der erste FLA in die Luft steigt. So will das britische Verteidigungsministerium demnächst mit dem Austausch seiner 62 Hercules-Transporter beginnen, weil die Maschinen „im Golf, in Bosnien und jetzt in Ruanda stärker als erwartet beansprucht“ worden sind. So wird man wohl in Kürze 25 Flugzeuge vom Typ C-130 J bestellen und dann abwarten, wie sich das FLA entwickelt. Für die britische Industrie ist das kein Risiko: An Lockheeds C-130 J sind 24 britische Firmen und zwölf Subunternehmen mit rund 15 Prozent beteiligt.
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