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„Unschuldslamm“ Reimers

■ Staatsrat will nichts vertuscht haben / Zwei Versionen über Hackmann-Rücktritt / Schikane in der Ausländerbehörde Von U. Exner und K. v. Appen

Innen-Staatsrat Dirk Reimers wehrt sich. Der in Bedrängnis geratene Chef (siehe Bericht Seite 1) der polizeiinternen Ermittlungsgruppe PS 3 widersprach gestern abend in einem Gespräch mit der taz hamburg Vorwürfen, er habe gegen den Willen des am Montag zurückgetretenen Innensenators Hackmann versucht, ausländerfeindliche Übergriffe bei der Polizei und in der Ausländerbehörde zu vertuschen. Er habe „keine Meinungsverschiedenheiten mit Hackmann“ gehabt. Reimers wörtlich: „Meine Arbeit mit dem Senator war völlig störungsfrei und vertrauensvoll.“

Hackmanns Wahrnehmung der Ereignisse, das ergaben Recherchen der taz, muß zumindest in seinen letzten Amtstagen eine andere gewesen sein:

Am Donnerstag vergangener Woche veröffentlicht die taz hamburg den Fall des von Polizisten verprügelten Senegalesen Dialle D. Krisensitzung in der Innenbehörde. Hackmann fordert die sofortige Suspendierung der Beamten. Innenstaatsrat Dirk Reimers winkt, unterstützt von weiteren Spitzenbeamten, ab. Eine Suspendierung sei rechtlich nicht möglich. Hackmann ordnet statt dessen eine Strafversetzung der Beamten an, fährt dann zu einer Wahlkampf-Veranstaltung nach Farmsen. Dort wird ihm die inzwischen von Reimers verfaßte und bereits in die Redaktionen gefaxte „Erklärung Senator Werner Hackmann“ vorgelegt. Es fehlt die Strafversetzungs-Passage. Hackmann spricht noch in der Nacht zum Freitag mit Reimers, fordert erneut die Strafversetzung, die Behördensprecher Peter Kelch am nächsten Morgen mündlich verbreitet.

Reimers' Version hört sich anders an. Weder habe Hackmann eine Suspendierung der beiden Beamten gefordert, noch habe er den Innensenator mit der Presseerklärung hintergehen wollen. In dem nächtlichen Gespräch habe man sich einvernehmlich darauf verständigt, daß die Strafversetzungen aufgrund des öffentlichen Drucks unumgänglich seien.

Unterschiede auch bei der Bewertung der Ereignisse, die sich am vergangenen Montag – Hackmanns letztem Tag im Amt – am Johanniswall abspielen:

Dort treffen sich die Spitzen des Einwohnerzentralamts mit Hackmann und seinem Führungszirkel. Der Leiter des Amts für Ausländerangelegenheiten, Dr. Peter Dauer, berichtet, daß sich in seinem Haus Schikanen gegen Ausländer häuften. Außerdem habe er den Eindruck, daß seine Mitarbeiter das Ausländergesetz viel zu restriktiv auslegten (siehe unten). Dauer bittet Hackmann um Rückendeckung für Gegenmaßnahmen, zum Beispiel ein Rundschreiben am alle Mitarbeiter. Der Innensenator sichert seine Unterstützung zu. Und Reimers? Sieht auch in diesem Fall „überhaupt keinen Gegensatz“ zu Hackmanns Meinung. Ein Teilnehmer der Runde berichtet anderes. Reimers habe erhebliche Einwände erhoben. Eine offensiveres Umgehen könne ja den Eindruck erwecken, daß die taz-Berichte über Mißstände in der Ausländerbehörde zuträfen. Dies sei den Mitarbeitern nicht zuzumuten.

Wenig später trifft sich die Behördenleitung erneut. Thema zunächst wiederum: Der Fall Dialle D. Am Ende der Sitzung legt Reimers einen neuen Bericht über Mißhandlungen vor. Diesmal geht es um Prügeleien in der Wache 11 (Kirchenallee). Und wieder gibt es zwei Versionen über den folgenden Gesprächsverlauf. Nach taz-Informationen sollen Reimers und Kripo-Chef Wolfgang Sielaff auf Hackmanns Frage nach Wahrheitsgehalt und Konsequenzen nur die Schultern gezuckt haben. Nach Reimers' Version war man sich sofort einig, sich schleunigst um den Fall zu kümmern und entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Wer recht hat? Fest steht nur, daß Hackmann am selben Tag zurücktritt, sich selbst nicht mehr in der Lage sah, personelle Konsequenzen im Haus zu ziehen. Und daß gestern weder Hackmann noch die Leitung des Einwohnerzentralamts für die taz zu erreichen waren.

Fest stehen dürfte auch, daß außer Reimers auch der Polizeidirektionschef Mitte, Richard Peters, nicht mehr lange im Amt bleiben wird. Peters sei „nicht mehr zu halten“, heißt es im Polizeipräsidium.

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