: „Der Mann hat Dreck am Stecken“
Nach dem Rücktritt von Hamburgs Innensenator präsentiert sich sein Staatsrat im Polizeiskandal als Saubermann / Strafrechtliche Ermittlungen gegen 27 Polizisten eingeleitet ■ Von Kai von Appen
Hamburg (taz) – Der Hamburger Polizeiskandal zieht nach dem Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann und der Suspendierung von 27 Polizisten wegen ausländerfeindlicher Übergriffe immer weitere Kreise: Nun werden auch Rufe nach Konsequenzen in der Führungsebene laut. So gehen Polizeiinsider davon aus, daß die Entlassung von Direktionschef Richard Peters – in dessen Geltungsbereich sich die rassistischen Übergriffe ereigneten – unmittelbar bevorsteht.
Innenbehörden-Staatsrat und Ex-Polizeipräsident Dirk Reimers präsentiert sich dagegen als „Saubermann“, als der Mann, der nun – nach Hackmann – aufräumt. Doch gerade Reimers war es, der noch am Montag nach Bekanntwerden weiterer Vorwürfe gegen Polizeibeamte Disziplinarmaßnahmen gegen die rassistischen Prügelpolizisten verhinderte und Hackmann zum spontanen Rücktritt trieb. Ein Polizeiinsider kommentiert: „Der Mann hat Dreck am Stecken.“
Reimers hat gestern strafrechtliche Ermittlungen gegen 27 Polizisten wegen Körperverletzung im Amt, Strafvereitelung sowie Freiheitsberaubung und Nötigung veranlaßt.
Allen 25 Beamten des Einsatzzuges Mitte, der jahrelang als Elitetruppe und „polizeiliche Feuerwehr“ für „prekäre Lagen“ galt, wurde „mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte verboten“. Die Polizisten sollen festgenommene Ausländer mißhandelt haben.
Obwohl der Einsatzzug Mitte in den vergangenen Monaten, wie berichtet, mehrfach ins Visier der Öffentlichkeit geraten war (1. Mai, Haider-Kundgebung), war der Trupp bis zum Hackmann-Rücktritt vom Polizeiapparat gedeckt worden.
So machte der Trupp im Juni im Hamburger Schanzenpark Jagd auf Schwarzafrikaner. Die BeamtInnen nahmen zahlreiche Personen grundlos fest und mißhandelten ihre Opfer. Polizeisprecher Werner Jantosch rechtfertigte damals das rassistische Vorgehen und bezeichnete den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit „als eine gezielte Diffamierungskampagne“ gegen eine „erfolgreiche“ Einheit.
Nach Informationen der taz gaben sich aber schon zu diesem Zeitpunkt einige Beamte der Einheit offen als Sympathisanten der Deutschen Volksunion (DVU) zu erkennen und warben für die rechtsradikale Partei innerhalb der Polizei.
Hamburgs Justizsenator Klaus Hardrath prüft nun, ob es eine Wechselwirkung zwischen den Übergriffen der Polizisten und der Ermittlungspraxis der Hamburger Staatsanwaltschaft gibt. So waren zum Beispiel alle 130 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten des berüchtigten Reviers Lerchenstraße in der Vergangenheit eingestellt worden. Daher wurde die zuständige Abteilung gestern von Hardrath entmachtet. Die Bearbeitung der neuen Verfahren ist einem Sonderstaatsanwalt übertragen worden.
Zudem wurde eine Sonderkommission unter Leitung eines Oberlandesrichters eingesetzt, die alle 130 Ermittlungsverfahren beleuchten soll. „Diese Kommission“, so Hardrath, „soll prüfen, ob Maßstäbe vertreten worden sind, die nicht vertretbar sind.“ Gäbe es dafür Anzeichen, würden alle Verfahren gegen Polizeibeamte aus den letzten zwei Jahren neu aufgerollt. Hardrath: „Das sind 2.500 Akten.“
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