: Schwarze gegen rote Socken
■ CDU-Kongreß zum Thema „SED/PDS – Das Trojanische Pferd in der Demokratie“ / Seebacher-Brandt kritisiert die SPD-Genossen
Das Trojanische Pferd hatte die CDU gleich mitgebracht. Nicht im Gewand eines finsteren „SED/ PDS“-Vertreters, sondern in Gestalt einer 47jährigen Dame mit blonden Haaren und blauem Kostüm. Brigitte Seebacher-Brandt, SPD-Mitglied und Witwe von Willy Brandt, ließ sich am Freitag abend die Gelegenheit nicht nehmen, ihre eigenen Genossen wieder einmal kräftig anzuschwärzen. Mit Ausnahme des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi wirke im SPD-Bundesvorstand das vereinigungsfeindliche Denken von 1989 weiter fort. Wer damals gedacht habe, die Bevölkerung der DDR lasse sich ihren Staat nicht nehmen, „der hält heute zur PDS“. Mit derart grob geschnitzten Angriffen traf die FAZ-Autorin die Erwartungen der rund 200 Zuhörer, die der Einladung der CDU zum Kongreß „SED/PDS – Das Trojanische Pferd in der Demokratie“ gefolgt waren. Es wurde ein Abend der gegenseitigen Selbstbestätigung.
Angefangen vom Hundert,6- Dudelfunk-Chef Georg Gafron, der als Moderator immer wieder die Bedeutung des Kongresses „in diesen Zeiten“ hervorhob, über den CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus-Rüdiger Landowsky bis hin zum Verfassungsrechtler Rupert Scholz war sich die Runde einig, daß die PDS „niederzuwählen“ sei. Nur wie und mit welchem Konzept – darauf fand keiner der Beteiligten eine passable Antwort.
Statt Analyse wurde rückwärtsgewandt gejammert. Wer hätte sich, betonte Seebacher-Brandt, vor vier Jahren vorstellen können, daß ein solcher Kongreß noch einmal nötig sei. Man sei zu nachsichtig mit der PDS, aber auch mit Manfred Stolpe umgegangen. Niemand, auch nicht Helmut Kohl, habe klar zum Ausdruck gebracht, daß „totalitäres Erbe in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz hat“. Rupert Scholz wollte die Kritik – schließlich richtete sie sich gegen den Kanzler – nicht auf sich sitzen lassen, folgte aber der Seebacher-Brandtschen Interpretation schnell und warnte vor der „professionellen Verdrängung“ der Vergangenheit. Alle Forderungen nach Schließung der Gauck-Akten oder einer Amnestie für Ex-Stasi-Mitarbeiter seien daher „unverantwortlich“.
Christian Ladwig, Abteilungsleiter der Gauck-Behörde, bedauerte, die Merkmale der DDR-Diktatur nicht rechtzeitig benannt zu haben. Stasi-Unterlagen seien daher ein Gegengift gegen die um sich greifende Schönfärberei der Vergangenheit. In dem Wahlkampfgetöse, mit dem allen voran Scholz die PDS als RAF-Sympathisanten-Stasi-Stalinisten-Konglomerat ausmalte, wagte einzig CDU-Chef Landowsky einen Bezug zur Gegenwart: Der PDS, so attestierte er der Gysi-Partei, sei es gelungen, die Diskussion über die Einheit auf ökonomische Verhältnisse zu reduzieren. Dem müsse man entgegentreten, indem die „objektiv sichtbaren Ungerechtigkeiten so schnell wie möglich“ beseitigt würden. Sprach's und verwies auf die alleinerziehenden Mütter, eine von der PDS heftig umworbene Wählergruppe. Aber auch dort, so Landowskys Mahnung an die CDU-Abgeordneten, müsse man aufpassen, daß man der PDS nicht anhand kritikwürdiger Einzelbeispiele Vorwände liefere, um das ganze System herunterzumachen.
Der Schriftsteller Sigmar Faust, selbst in der DDR mehrmals inhaftiert und nach eigenen Worten früher „fanatisch“ an die sozialistischen Utopien glaubend, fand als einziger ein paar vorsichtig-kritische Anmerkungen zur Vergangenheit der CDU. Er selbst sei von der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgeladen worden, „weil man sich anheischte, FDJ-Delegationen zu empfangen“. Das war einigen schon zu viel Schelte. Aber mehr als ein Grummeln aus den hinteren Reihen war dann doch nicht zu vernehmen. Severin Weiland
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