Das beleidigte Leberwürstchen

■ Sehr gelassen erwartet HSV-Coach Möhlmann morgen Dynamo Dresden

Beim HSV ist es zur Zeit so wie im ganzen Lande: Der Wahlkampf überdeckt alles und vernebelt manchem das Hirn. Zwar geht es beim Bundesligisten nicht um Mandate, aber dennoch versucht jeder seine Position auf Teufel komm raus zu verbessern. Da wird schon mal vergessen, daß der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist. Insbesondere bei Sergio Zarate scheint der Kampf gegen die Fünf-Partien-Hürde ans Eingemachte zu gehen.

Der Argentinier, der binnen drei Monaten von der Zauber- zur Zaudermaus mutierte, attackierte Trainer Benno Möhlmann unter der Woche auf ziemlich originelle Art. „Er ist ein falscher Mensch“, befand der 25jährige kurzerhand und fing sich mit dieser Schnell-Analyse eine schriftliche Ermahnung vom Präsidium ein. Der Grund für den Ausraster war eher alltäglich. Möhlmann hatte gewagt, das zu tun, was ein Trainer mit einem unmotivierten Spieler normalerweise tut – Verbannung auf die Tribüne. Zur Raison brachte das den Süd-amerikaner nicht. Dafür hat inzwischen die feinherbe Reaktion des Vereins gesorgt.

Möhlmann bleibt trotz der Querelen ruhig. Ihn stört die beleidigte Leberwurst nicht und daß über Spielerverkäufe spekuliert wird (Ivanauskas, Sassen, Andersen und Zarate). Der Kampf um die Nummer eins im Tor ist nach der Rotsperre für Stein wieder entbrannt. Was soll's, denkt sich Möhlmann, schließlich hat er vor der Saison ganz bewußt Reibungspunkte installiert. Dem 40jährigen ist es ganz recht, was geschieht. Die Taktik der positiven Unruhe ist bislang aufgegangen.

Zarate wird sich wieder beruhigen oder gehen. Seine einzige Lobby – die Fans – hält schon lange nicht mehr zu ihm. Und der Konkurrenzkampf Golz versus Stein ist keiner, denn eines ist sicher: Nach Ablauf seiner Sperre steht Uli Stein wieder im Tor. Man sieht: Für den Trainer läuft alles nach Plan und nichts aus dem Ruder. Selbst die Spielsperren gegen Sassen, Ivanauskas und Kostner warf die Mannschaft nicht aus der Bahn. Im Gegenteil: Der HSV holte zuletzt 6:2-Bundesligapunkte. Eine Serie, die morgen gegen Dynamo Dresden (15.30 Uhr im Volksparkstadion) ausgebaut werden soll.

Dabei wird Shootingstar Andre Breitenreiter fehlen, der sich bei der U21 einen komplizierten Jochbeinbruch zuzog. Ein (Ersatz)-Mann für den Angriff ist also gefragt. Vielleicht spielt Zarate, vielleicht Andersen. Wer letztendlich auflaufen wird, weiß nur Benno Möhlmann. Frei nach dem Motto: Reize einen Spieler solange, bis er explodiert. Auf dem Spielfeld versteht sich. Clemens Gerlach