piwik no script img

Angestelltenkammer unterliegt vor Gericht

■ Ex-Geschäftsführerin der Kammer-Tochter „bbi“ muß weiterbeschäftigt werden

Eine klare Niederlage kassierte die Angestelltenkammer gestern vor dem Arbeitsgericht. Nur um das vom Arbeitsgerichts-Präsidenten Konrad Wesser bereits angekündigte scharfe Urteil zu vermeiden, ging Kammer-Justitiar Eckart Kück nach eineinhalbstündiger Sitzung auf einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich ein. Damit konnte die Klägerin Marion Seevers, eine der beiden im Februar zurückgetretenen GeschäftsführerInnen des hochverschuldeten kammereigenen Fortbildungsinstituts „bbi“, ihren Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Nachzahlung des seit März vorenthaltenen Gehalts durchsetzen.

Das Arbeitsgericht war in keinem einzigen Punkt bereit, der Argumentation der Angestelltenkammer zu folgen. Die hatte Marion Seevers Rücktritt von der bbi-Geschäftsführung einfach als fristlose Kündigung ihres gesamten Arbeitsverhältnisses mit der Kammer gewertet – obwohl Seevers in ihrem Rücktrittsbrief an Kammer-Geschäftsführer Eberhard Fehrmann ausdrücklich um ein „Gespräch über meinen weiteren Einsatz“ gebeten hatte und das Gespräch später sogar stattfand. Als „Verstoß gegen die Treuepflicht des Arbeitgebers“ wertete Arbeitsrichter Wesser gestern dieses Verfahren des Kammergeschäftsführers Fehrmann, das womöglich sogar bei Marion Seevers „Ansprüche auf Schadensersatz“ begründen könne.

Auch dem Versuch der Kammer, die Existenz eines Arbeitsverhältnisses mit Marion Seevers völlig abzustreiten, hatte keinen Erfolg. Zwar hatte Seevers tatsächlich ihr Gehalt vom Bremer Staat bezogen, bevor sie Anfang 1991 zur bbi-Geschäftsführerin wurde. Dies allerdings im Rahmen eines „Poollehrervertrages“, über den sie seit 1980 de facto als Mitarbeiterin der Angestelltenkammer ausgeliehen war. Richter Wesser in Richtung Kammer-Justitiar: „Sie können da Nebelbomben werfen, wie Sie wollen – das ändert alles nichts daran, daß Marion Seevers bei Ihnen weiterbeschäftigt werden muß.“

Und auch dem letzten Argument der Kammer traute das Gericht nicht. Daß Kammer-Geschäftsführer Fehrmann bis Februar 1994 „nicht wußte, was beim bbi passiert, wage ich zu bezweifeln“, sagte Richter Wesser. Von einer plötzlich und völlig überraschend aufgetretenen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kammer und bbi-Geschäftsführung könne angesichts des bereits im Vorjahr durch die Presse gegangenen Skandals um die Pleite der bbi-Tochter „bbi-transfer“ wohl kaum ausgegangen werden.

Doch falls die Kammer unbedingt auf ihrer Version der Vorgänge um das bbi bestehe, dann werde er, so Richter Wesser, „ein unabhängiges Wirtschaftsinstitut beauftragen, um das alles mal zu überprüfen“ – und das werde, fügte er drohend hinzu, „garantiert nicht aus Bremen kommen, das verspreche ich Ihnen.“ Seiner Meinung nach werde dies jedoch wiederum nur „viel Geld kosten und nichts bringen“. Schließlich werden die maroden Finanzen von Kammer und bbi derzeit bereits vom Rechnungshof geprüft. Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen