piwik no script img

TipEin heißer Sommer

■ "Kinderspiele"

„Kinderspiele“, Sonntag, 20.45 Uhr, ZDF

Eine westdeutsche Vorstadt Anfang der sechziger Jahre. Letzter Schultag vor den großen Ferien. Zeugnisse werden in die gespannte Stille der Klasse verteilt. Während Micha, der kleine Held des Films, mit guten Noten nach Hause gehen kann, bleibt sein Freund Kalli sitzen. Den stört's auch nicht weiter. Ein heißer Sommer beginnt, in dem Micha so allerlei erleben wird: seine Großmutter wird sterben, seine Mutter wird die Familie verlassen, als Voyeur wird er ein junges Liebespaar beim GV beobachten und sich angewidert abwenden, er wird sich das erste Mal schüchtern-schön verlieben, und am Ende wird er aus Angst und Not was ganz Schlimmes tun. Aber was das sein wird, wird nicht verraten.

Wolfgang Beckers Film lebt von unspektakulären Dingen. Von einer präzisen, glaubhaften Schilderung sozialer Verhältnisse und Beziehungen. Micha lebt in einer vielleicht klassischen Arbeiterfamilie der sechziger Jahre. Der Vater ist Polier, die Mutter Hausfrau. Der kleine Bruder ist ein Doofmann, und der dicken Oma muß man immer helfen, wenn sie aufs Klo geht. Den Kindern soll's mal besser gehen; der Vater schuftet für den Aufstieg. Daheim schweigt er abgearbeitet oder brüllt cholerisch herum.

Micha ist auf seinen quengelnden kleinen Bruder eifersüchtig, terrorisiert ihn ein bißchen und wird dafür vom Vater verkloppt. Schlimmer als die Schläge ist aber das Herumschreien des Vaters: „Wir arbeiten die ganze Zeit, und was tust du?!“ brüllt er oder: „Dieser Kalli verdirbt dich.“ Denn Kalli ist ein frecher, abgeklärter Angeber, der sich um die Schule nicht schert, aber weiß, was Liebespaare so miteinander machen. Vor allem aber kommt er aus jenen proletarischen Verhältnissen, die Michas Eltern gerade hinter sich lassen wollen.

In den Beschreibungen der sozialen Beziehungen, der bedrängten Familienverhältnisse im Wirtschaftswunderland der engen Einfamilienhäuser ist „Kinderspiele“ genau und überzeugend. Daß Becker die Sehnsüchte seines Helden in einigen Szenen verkitscht und dem Film ein unnötig spektakuläres Finale gibt, sei ihm verziehen.Detlef Kuhlbrodt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen