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Die große Fußwaschung

Italiens vielbeschäftigte Staatsanwälte ermitteln gegen fast alle Profi-Fußballvereine wegen Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung  ■ Aus Rom Werner Raith

Daß Italiens Fußball – wie der anderer Länder auch – nicht gerade zum Saubersten in der Gesellschaft zählt, ist keine Neuigkeit; Bestechung von Schiedsrichtern und schußkräftigen Stürmern, Doping- und Drogenskandale haben die Kickerwelt schon des öfteren erschüttert. Doch stets hatte es dabei nur Einzeltäter erwischt, Meisterschaftsanwärter oder Abstiegskandidaten, die der Tüchtigkeit ihrer Spieler nicht trauten und daher ein bißchen „nachhalfen“. Doch nun steht der gesamte Profi-Fußball am Pranger.

Seit Anfang dieser Woche ermitteln Staatsanwälte in ganz Italien, wurden Materialien bei 34 der 38 Erst- und Zweitligisten gleich kistenweise beschlagnahmt. Zur selben Zeit wurde eine bereits vor einigen Monaten begonnene Recherche gegen Antonio Matarrese, den Präsidenten des nationalen Fußballverbandes, zum formellen Ermittlungsverfahren erhoben.

Der staatsanwaltliche Vorhalt gegen die inkriminierten Vereine: Bilanzfälschung, Steuer- und Abgabenhinterziehung, mit einer Schadenssumme für den Staat von umgerechnet mehr als 100 Millionen Mark. Unter den betroffenen Vereinen sind alle Meister der letzten Jahre, von Juventus Turin über Sampdoria Genua, Inter Mailand, Lazio und AS Rom bis Neapel – selbst den AC Milan hat es erwischt, für den der derzeitige Regierungschef Silvio Berlusconi als Präsident die Bilanzen abzeichnet. Lediglich eine Handvoll Vereine – Vicenza, Piacenza, Lucca und Verona – sind noch ohne Verdacht, gegen Genua 1893 läuft bereits seit längerem ein Verfahren.

Ausgangspunkt der Ermittlungen war eine formelle Strafanzeige eines früheren Vereinsmanagers Francesco Farina aus Modena, der auch Berater des nationalen Fußballverbandes Federcalcio war. Hinzu kam ein Dossier des Vorsitzenden des AC Ravenna, Daniele Corvetta: Darin waren die Bilanzgestaltungspraktiken der Clubs angeprangert worden – im Grunde eine verzweifelte Aktion, denn Farina und Corvetta, die kleinen Clubs angehören, sahen sich selbst nicht nur zu illegalen Handlungen gezwungen, sondern erkannten just in dem System eine der Stärken der großen Konkurrenz. „Wenn die ihre Steuern regulär zahlen und die Bilanz ungeschönt veröffentlichen würden, gäbe es gleich mal mehr Demokratie in der Liga“, sagte Farina, „denn: Eine anständige Verhandlung über den Kauf oder Verkauf eines Spielers ist unmöglich, solange die Konkurrenz nicht ihre Karten auf den Tisch legen muß und ständig mit Schwarzgeld hantiert; so kaufen sie dir jeden Kandidaten weg, auch wenn sie ihn gar nicht brauchen – nur um den kleinen Clubs keine Chance zu geben.“

Besonders böse erwischt hat es den Präsidenten des Nationalen Fußballverbandes, Antonio Matarrese. Der wehrt sich zwar mit dem Argument, schließlich sei die Federcalcio kein Bilanzüberprüfungsinstitut und müsse sich, da sie auf diesem Gebiet keinerlei Zuständigkeit habe, auf das verlassen, was die Vereinsmanager an Bilanzen vorlegen. Doch das wirft ihm auch keiner vor. Was die Staatsanwälte ihm aber zur Last legen: daß Farina die Unregelmäßigkeiten bei den Profi-Vereinen seinem Präsidenten bereits vor mehr als einem Jahr angezeigt und mit einer umfangreichen Dokumentation versehen hat, sich Matarrese jedoch überhaupt nicht rührte. Vielmehr berichtet Farina von „massivem Druck, der daraufhin gegen mich ausgeübt wurde, die Sache auf sich beruhen zu lassen.“ Farina zeigte die Sache bei der Staatsanwaltschaft an und ließ auch nicht nach, als ihn die Sportpresse als Nestbeschmutzer und Verräter herunterputzte. Späte Genugtuung: Mittlerweile fordern auch die Fußballpostillen lautstark den Rücktritt Matarreses und – in Anlehnung an die Antikorruptionsaktion „Saubere Hände“ – eine „Aktion saubere Füße“ im italienischen Fußball. Wo die Affäre enden wird, ist freilich noch unklar. Auch die federführenden Staatsanwälte wissen, sagt etwa Gloria Attanasio aus Rom, „daß mit solchen Ermittlungen möglicherweise eine ganze Saison ruiniert werden kann, müssen doch möglicherweise zahlreiche Vereine mit Lizenzentzug rechnen, wenn unsere Verdachte zutreffen“. Gleichwohl: „Das Gesetz gilt für alle, und Italiens Fußballfans müssen sich daran gewöhnen, daß auch ihre Lieblingsmannschaft erst dann wieder auf Dauer funktionieren kann, wenn die Unsauberkeiten ausgemerzt sind.“

Das sind hehre Worte, die man allerdings auch früher schon oft genug gehört hat, wenn es wieder eine Top-Mannschaft erwischt hatte. Die Konsequenz war danach freilich weniger eine Änderung der Methoden als deren Verfeinerung beim Schwindeln.

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