: „Ich und Oskar“
Beim Landtagswahlkampf im Saarland kommt bei der SPD die Sofortbildkamera zum Einsatz ■ Von Frank Thewes
Saarbrücken (taz) – Es sieht aus wie ein Werbefeldzug für Sofortbildkameras, doch es ist der Wahlkampf von Oskar Lafontaine. Immer wenn sich der Ministerpräsident unters saarländische Volk mischt, stehen zwei Mitarbeiterinnen aus der Staatskanzlei bereit, um Oskars Kontakte zu den Untertanen mit der Polaroidkamera festzuhalten. Jeder dieser Kopf- an-Kopf-Schnappschüsse wird vom Landesvater handsigniert und darf als ganz persönliches „Ich und Oskar“-Foto ins Wohnzimmer gehängt werden. In diesen Wahlkampfzeiten ist der Polaroidausstoß natürlich besonders groß: Mehr als 10.000 „Ich und Oskar“- Bildchen hat der Wahlkampftroß innerhalb von drei Wochen unter die Leute gebracht, was angesichts der hohen Preise für die Spezialfilme nicht gerade billig ist. Anzumerken bleibt da, daß Lafontaine sich gerade anschickt, Deutschlands oberster Sparkommissar zu werden.
Daß der noch immer überaus populäre Ministerpräsident seine Heimat in Richtung Bonn verlassen will, nehmen ihm die Saarländer nicht übel – im Gegenteil. Bei der Landtagswahl 1990 hat der Bonn-Bonus dem damaligen Kanzlerkandidaten Lafontaine ein Rekordergebnis von 54,4 Prozent eingebracht. Auch diesmal soll sich die Bonner Karriereplanung auszahlen: „Wenn der Oskar die Bundeskasse hat, ist das bestimmt nicht schlecht für das Saarland“, verspricht der Ministerpräsident, der die Saarbrücker Regierungsgeschäfte nach einem Wechsel in die Bundespolitik offiziell an seinen Statthalter, SPD-Fraktionschef Reinhard Klimmt, übergeben will.
An den wirtschaftlichen Schwächen der Region hat sich vor allem die Landtagsopposition aus CDU und FDP festgebissen: Landesweit sind knapp elf Prozent der erwerbsfähigen Menschen arbeitslos. Das ist nach Bremen die höchste Arbeitslosenquote der alten Bundesländer. Noch immer werden in der Kohle- und Stahlindustrie des Landes mehr Arbeitsplätze abgebaut, als in anderen Branchen neu entstehen. Peinlicherweise mußte im vergangenen Jahr zudem der Saarstahl-Konzern Konkurs anmelden, als dessen „Retter“ sich Lafontaine bereits vorzeitig ausgerufen hatte.
Seit dem Regierungswechsel 1985 seien die Krisen im Saarland größer und das Wachstum deutlich geringer ausgefallen als im Bundesdurchschnitt, rechnet Lafontaines Herausforderer, Bundesumweltminister Klaus Töpfer von der CDU vor. Bereits 1990 mit 33,4 Prozent der Stimmen unterlegen, wirbt Töpfer diesmal mit dem Slogan: „Damit es auch im Saarland endlich wieder aufwärts geht“. Die FDP betreibt unter ihrem Landesvorsitzenden Harald Cronauer konsequent die eigene Vernichtung: Zunächst ekelten die Saar- Liberalen ihre einzige Bundestagsabgeordnete, die populäre Frauenpolitikerin Uta Würfel, aus dem Landesverband. Vor einigen Wochen erklärten sie plötzlich die bislang schwer gescholtenen Sozis zum Wunsch-Koalitionspartner, um diese Aussage schließlich wieder zurückzunehmen. Kein Wunder, daß die letzte saarländische Wählerumfrage die FDP nicht mehr im nächsten Landtag sieht.
Dagegen haben die Grünen gute Chancen, erstmals in ihrer Geschichte in den Saarbrücker Landtag einzuziehen. Sie waren 1985 und 1990 mit einem Stimmenanteil unter drei Prozent deutlich an der Fünfprozentklausel gescheitert. Der Grund für die Wahlpleite der Alternativen lag neben öffentlichen Flügelkämpfen im grünen Anstrich der Saar-SPD. Doch nach zehn Jahren Lafontainescher Realpolitik ist der Lack ab: Vor allem die Umweltverbände klagen offen über ökologischen Stillstand in der Landespolitik. Bei der Kommunalwahl im Juni haben die Grünen der SPD in den größeren Städten bereits dicke Stimmenpolster abgejagt. Doch wie schon 1985 und 1990 wirbt die SPD auf Landesebene auch diesmal aggressiv um rot-grüne Wechselwähler: Unter dem Motto „Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern“ verweist die SPD auf gemeinsame Personalentscheidungen von CDU und Grünen in zwei Landkreisen.
Ein entsprechender Kommentar in der parteieigenen Wahlkampfzeitung ZaS hat die Sozialdemokraten allerdings mit den Tücken ihrer eigenen Pressegesetze konfrontiert: Sie mußten am vergangenen Sonntag – rechtlich wehrlos – eine Gegendarstellung der Grünen hinnehmen.
Diese ungeahnt praktische Auswirkung des Pressegesetzes bringt die ZaS- Schreiberlinge in die Bredouille: Ausgerechnet in der geplant scharfen Endausgabe am Wahltag dürfen jetzt nur zaghafte Formulierungen ins Blatt – denn sonst muß die ZaS am Sonntag nach der Wahl entgegen der Planung weiter erscheinen: zum Abdruck von gesetzlich verbindlichen Gegendarstellungen. Da können die Zeitungsmacher nur hoffen, daß ihre Partei Sonntag die absolute Mehrheit verliert. Alle möglichen Koalitionspartner wollen das umstrittene Pressegesetz nämlich schnellstens wieder abschaffen.
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