: Blendax, Tweed und Optimismus
■ Wahlkampfbilanz der Hamburger Parteien: 110 Prozent sind das Minimum / Weniger Geld, noch weniger Themen und zuversichtliche Parteimanager
Zweimal werden wir noch wach – genau, dann hat das Elend ein Ende. Die „Wahlschlacht –94 ist geschlagen. Ein eher müdes Scharmützel, auch in Hamburg. Aber das möchten die zuständigen Matadore so natürlich nicht sagen. Optimismus ist angesagt. Parteiübergreifend.
Bei der SPD zum Beispiel. Wahlkampfmanager Thomas Böwer ist sich sicher, „daß wir über 40 Prozent landen“. Das wäre gegenüber der Europawahl vom Juni immerhin ein Zuwachs von glatten sechs Prozent. Außerdem möchten die Sozis alle sieben in Hamburg zu vergebenden Direktmandate gewinnen.
Zuversicht auch bei den Grünen: 11 Prozent und ein Direktmandat, „dann sind wir zufrieden“, sagt GAL-Chef-Wahlkämpfer Bernd Farcke. Und wird von der CDU locker überboten. 36 Prozent der Stimmen wollen die Jünger Kohls in Hamburg holen und rechnen sich außerdem gute Chancen auf Direktmandate in den Wahlkreisen Nord, Altona, Wandsbek und Eimsbüttel aus. Blieben gerade mal vier Prozent für den Rest.
Einspruch! Meldet sich die FDP zu Wort. Deren Geschäftsführer Matthias Starke weiß zwar, daß die bei den letzten Bundestagswahlen erreichten zwölf Prozent in diesem Jahr nicht drin sind. Aber mit sieben Prozent, meint er, dürfte die blaugelbe Riege schon dabei sein. Plus knapp drei Prozent, auf die die PDS setzt, plus ein, zwei Pünktchen für den Rest macht – knapp 110 Prozent der Stimmen. Dafür hätte man sich wohl ein bißchen mehr anstrengen müssen.
Aber wie denn bloß. Keine Wahlkampfthemen, wenig Ideen und – auch nicht unwichtig fürs Stimmenwerben – im Vergleich zu früheren Jahren äußerst knappe Parteikassen. Unisono geben SPD, CDU, GAL und FDP an, in diesem Wahlkampf unterm Strich weniger ausgegeben zu haben als 1990. Die Hamburger Investitionsrangliste: SPD 640.000 Mark, CDU 260.000 Mark, FDP 150.000, GAL 140.000 Mark.
Als Grund für den Sparkurs wird die Neuregelung der Wahlkampfkostenerstattung angegeben. Die bemißt sich nämlich in diesem Jahr erstmals an der Zahl der tatsächlich abgegebenen Stimmen, nicht mehr an der Zahl der Wahlberechtigten. Außerdem gibt's statt fünf nur noch vier Mark pro Stimme.
Kritik am eigenen Wahlkampf ist selten, wird höchstens hinter vorgehaltener Hand geäußert. So findet es ein hochrangiger CDU-Funktionär höchst unangebracht, daß sein Parteichef Dirk Fischer der Versuchung unterlag, den Polizeiskandal für die Wahlwerbung auszuschlachten. In der SPD mokiert sich mancher über die unsäglichen Scharping-Plakate (“Blendax“) oder über die Plakat-Kleiderordnung des Wackel-Wahlkreiskandidaten Wolfgang Curilla (gedeckt-rotkariertes Tweedjacket plus kreischendrote Krawatte).
Einen Vorteil haben derlei Fehlgriffe möglicherweise: Falls die anvisierten Prozentzahlen nicht erreicht werden, fallen die Ausreden leichter. Uli Exner
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