Frechheit

■ betr.: „Sozialämter kritisiert“ (Aids/Geld), Kurzmeldung taz vom 1.10.94

Die Bezeichnung „Bedürftige“ im Zusammenhang mit Sozialhilfe ist eine Frechheit! Wir sind „Sozialhilfeberechtigte“, keine „Bedürftigen“. [...] Der Begriff hört sich verdammt nach Almosen/Fürsorge an, und genau das soll er auch. Kohl & Co sind dabei, das Bundessozialhilfegesetz auszuhöhlen und ein menschenwürdiges Leben (§ 1,2 BSHG) völlig unmöglich zu machen. Aus dieser Ecke (Kohl & Co) kommt die Wiederbelebung des Begriffs „Bedürftige“, damit soll in der Öffentlichkeit ein Umdenken gefördert werden:

– daß es völlig normal ist, daß gesammelte Nahrungsmittel vom Vortag an Sozialhilfeberechtigte verfüttert werden (die armen Bedürftigen).

– daß es völlig normal ist, daß gebrauchte Kleidung und Möbel an Sozialhilfeberechtigte verteilt werden (die armen Bedürftigen).

– daß Sozialhilfeberechtigte von den Resten der Überflußgesellschaft zu „leben“ haben; alles was umsonst verteilt wird, kann und wird (bei Möbeln schon seit Jahren) von der „Geld“-Sozialhilfe abgezogen werden (§ 2,1 BSHG).

Sozialhilfe ist ein Rechtsanspruch, und das muß so bleiben! Wir kämpfen für ein menschenwürdiges Leben für uns und unsere Kinder; und wir wollen den Begriff „Bedürftige“ in Eurer taz nie wieder lesen müssen. Ariane Siemens, für die Selbsthilfegruppe Alleinerziehender Sozialhilfeberechtigter, Berlin