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Wer hat Angst vor Karol Wojtyla?

■ Der Papst als Bestsellerautor überspringt Petrus und sieht sich Christus gleich

Rom (taz) – Wieder einmal löst der Papst Zweifel daran aus, was ihn mehr bewegt: Gottesfürchtigkeit oder Publicity: Nachdem er die Welt bereits mit einem Dutzend Enzykliken beglückt hat – Lehrschreiben, die als authentische Auslegung des Glaubens gelten – und dabei von Empfängnisverhütung über das Sozialleben bis zur Moral fürs nächste Jahrtausend alles abhakte, ist er nun direkt ins Verkaufsgeschäft eingestiegen – ein Buch, angeblich absolut und ausschließlich aus seiner Feder, wird heute gleichzeitig in mehr als zwei Dutzend Sprachen und achtzig Ländern vorgestellt. Sofort verteilte Gesamtauflage: 20 Millionen. Deutscher Titel: „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“; Titel des italienischen Originals „Habet keine Angst“. Ein 256-Seiten-Werk, das aus Fragen des Journalisten Vittorio Messori hervorgegangen ist.

Der italienische Titel gibt dabei den Hauptakzent des Buches wieder: Es ist die Angst, um die Wojtylas Denken vor allem kreist, eine Angst, die er so thematisiert: „Christus hat immer wieder zu Menschen, denen er begegnet ist, gesagt: ,Habet keine Angst.‘ Das Evangelium hat es zu Maria gesagt und zu Josef, und Christus hat es zu seinen Aposteln gesagt, zu Petrus, bei unterschiedlichen Gelegenheiten, insbesondere nach seiner Auferstehung.“ Diese Worte, so Wojtyla, „hat Christus gesagt, die Kirche wiederholt sie. Und mit der Kirche wiederholt sie auch der Papst. Er hat es bei seiner ersten Rede auf dem Petersplatz getan: ,Habet keine Angst.‘ Es sind keine leeren Worte.“ Vor wem man eben diese Angst nicht haben soll? Vor der Wahrheit über sich selbst, vor den Menschen, vor Gott und vor Christus.

Beim Lesen des päpstlichen Werkes stellt sich jedoch das Gefühl ein, daß da noch ein Fünftes ist, dessen be-ängstigenden Charakter Wojtyla unbedingt abbauen möchte – er selbst. Immer wieder kommt er darauf zurück, daß sich auch ihm „Menschen mit ängstlicher Miene“ nähern, und das sei doch ganz verkehrt. Auch seine „Widersprüchlichkeit“ erhebt er immer wieder zum Thema – und immer erfahren die Leser, daß derlei ganz normal sei. Denn: „Auch der alte Simeon hat einst zu Christus gesagt, dieser sei ,das Zeichen der Widersprüchlichkeit‘.“ Der geradezu zwanghafte Versuch, die weltweite Schelte über seine Dogmatik in diesem Buch abzubauen, führt ihn am Ende dazu, sich immer weniger als Nachfolger Petri zu profilieren – der er doch sein soll –, sondern sich mehr und mehr über diesen hinweg zum Christusgleichen zu machen.

Noch halten sich Kritiker zurück – weniger, weil sie baff sind, daß ein amtierender Papst wie ein säkularer Buchautor zu Werke geht, sondern weil sie erst begreifen wollen, was das Ganze soll. Einige Vatikanologen vermuten gar Rücktrittsabsichten wegen seiner fortschreitenden Krankheit (deren Namen niemand genau kennt, wenngleich häufig Immunschwächen genannt werden) – auch da wäre er der erste, der statt im Amte zu sterben, in Pension ginge.

Panorama jedenfalls, die Zeitschrift aus dem Mondadoriverlag, in dem das Papstbuch erscheint (er gehört Ministerpräsident Berlusconi) und die vorab Auszüge veröffentlichte, hat sich den Zorn des Heiligen Stuhles zugezogen – pietätlos setzten die Blattmacher im Anschluß an den Vorabdruck eine kleine Galerie mit Fotos all jener Kardinäle, die als mögliche Nachfolger des amtierenden Oberhirten gelten. Als sei der schon tot. Werner Raith

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