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Kommunikationskartell so gut wie gescheitert

■ „Media Service“ (Bertelsmann, Kirch, Telekom) ist der EU monopolverdächtig

Berlin (taz) – In der Brüsseler Rue de la Loi wird zur Zeit eifrig antichambriert: Die Unterhändler von Bertelsmann, Kirch und Telekom wollen, Kartellgesetze hin, Medienkonzentration her, von ihrem so schön eingefädelten Joint- venture namens Media Service GmbH retten, was zu retten ist. „Gedankenaustausch“ nennt das Stephan Althoff, Media-Service- Sprecher bei der Telekom. In der vergangenen Woche nämlich hatten die Euro-Wettbewerbshüter dem Multimediakartell der drei Kommunikationsriesen ihren Segen verweigert und den Ablehnungsbescheid auf den vorgeschriebenen Weg durch die Europabehörde gebracht. Dabei hatten Kirch, Bertelsmann und Telekom ihren Berliner Ableger, an dem sie zu je einem Drittel beteiligt sind, extra an dem zuständigen Bundeskartellamt vorbeigeschleust, weil sie sich von den Brüsseler Wettbewerbshütern mehr Entgegenkommen erhofften.

Bei dem Zusammendocken der international schon vielfältig verflochtenen drei Kommunikationskonzerne geht es nicht nur um einen immens kapitalkräftigen, sondern auch den ersten autarken Multimediaverbund. Immerhin ist das Gemischtwarenkontor Bertelsmann zweitgrößtes Medienunternehmen der Welt und kann, dank ausgebuffter Verwaltungs-, Marketings- und Vertriebslogistik, so gut wie jede gewünschte Zielgruppe liefern. Kirch verfügt als Europas größter Programm- und Filmhändler über ein unerschöpfliches Reservoir an Unterhaltungsware. Und die Telekom hat mit 15 Millionen Anschlüssen nicht nur das größte Kabelnetz im Angebot und dazu europaweit verzweigte Anschlußverbindungen beispielsweise über ihre Traumpartnerin France Telecom. Sie hat auch den Zugriff auf bedeutende Satellitenkapazitäten.

Darüber hinaus geht es um die entscheidende Mautstelle zur interaktionsfähigen Datenautobahn des digitalen Fernsehzeitalters. Die Media Service will als „offene“ Dienstleistungsgesellschaft die technische, betriebliche und administrative Abwicklung von Pay-TV verleasen und mit den abonnierten Fernsehguckern im Auftrag der TV-Anbieter abrechnen. Wunschpartnerin für die Media Service ist wegen seiner vielversprechenden Decoder-Technologie Canal plus, Europas größtes Pay-TV-Unternehmen, das ohnehin über den Privatsender premiere mit Bertelsmann und Kirch assoziiert ist. Und die französische Telecom hat sich mit ihrem deutschen Pendant mehrfach eng liiert, so im europaweiten Datendienst Eunet, dem Kabel- und Satelliten- Joint-venture Atlas und den Sieben-Milliarden-Dollar-Einkauf beim drittgrößten US-Telefonkonzern Sprint. So wie jetzt praktisch jeder TV-Anbieter auf Astra-Satelliten muß, um gesehen zu werden und sich verkaufen zu können, würde deshalb künftig kein Bertelsmann/Kirch- und auch kein Telekom-Konkurrent an der Media Service vorbeikommen.

Entgegen der Erwartung des cleveren Mediengespanns hatte der europäische Fusionskontrollstab allerdings die Untersuchung der weiteren Zusammenhänge ziemlich gründlich angepackt. Nach einer Bekanntmachung im EU-Amtsblatt im Juni flossen die zahlreich eingehenden Kritiken in das 40 Seiten starke Sachstand- Kompendium mit ein. Und bei der am 28./29. September folgenden Anhörung kamen längst nicht nur Fürsprecherin Canal plus und die Antragsteller zu Wort, sondern speziell die Einwender, allen voran die Luxemburger CLT sowie Tochter RTL, aber auch ARD, ZDF, die Verlage Holtzbrink und Bauer, einige Medienanstalten, der französische Privatsender TF1 und andere. Dabei verdichteten sich zusehends die Anzeichen, daß der Zusammenschluß als monopolverdächtig verboten werden würde. „So negativ sehen wir das nicht“, verkündet Media-Service- Sprecher Althoff immer noch siegesgewiß. Entscheiden wird am Ende die Europäische Kommission, 17 Vertreter aus zwölf Ländern, darunter zwei aus Kirch/ Kohl-Land. Und zwar spätestens am 23. November. Ulla Küspert

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