: Bismarck ohne Vivat und Humpen
Der eiserne Kanzler hatte Besuch – ungebetenen. In der Nacht zum Freitag hat es einen schweren Einbruch in der Uni-Bibliothek gegeben, Ziel war die Ausstellung „Bismarck und der deutsche Nationalmythos“. Und die EinbrecherInnen haben reiche Beute gemacht: zwei großformatige Ölgemälde, drei Bronzestatuetten, zwei kleine Büsten und 23 Bücher, davon drei ganz besonders wertvolle. Alles weg. Und wenn Sie einen mit einer Vivatschleife sehen, wie der mit einem Glashumpen auf Bismarck prostet – sofort der nächsten Polizeidiensstelle melden. Denn Humpen und Schleife sind auch weg. Die EinbrecherInnen hatten reichlich zu schleppen. Geschädigt wurde dabei weniger die Uni: Drei Glasvitrinen sind zu Bruch gegangen, doch die kostbaren Gegenstände gehören überwiegend dem Institut für Kunst und Kulturgut in Wernigerode.
Mitten in der Nacht müssen sie gekommen sein, vermutet Wolfgang Budach, stellvertretender Leiter der Uni-Bibliothek. Wie, das will er nicht verraten – ein Versprechen an die Kripo, um keine NachahmerInnen zu provozieren. Noch am späten Abend waren HandwerkerInnen zur Asbestsanierung im Haus. Deren Feierabend war der Arbeitsbeginn für die EinbrecherInnen. Als morgens um sechs die Reinigungskräfte kamen, entdeckten sie die Ergebnisse der Nachtarbeit: Da war die Ausstellung nur noch halb so komplett.
Noch kann die UB-Leitung gar nicht sagen, wieviele Gegenstände fehlen. Genausowenig kann über den Wert des Diebesgutes gesagt werden. Eines allerdings habe sich schon auf den ersten Blick aufgedrängt. Die EinbrecherInnen haben nicht abgeräumt, „die sind gezielt vorgegangen“, erzählt der UB-Vizechef Budeck. Und weil die Stücke derart ausgesucht sind und der Einbruch so professionell durchgeführt worden ist, tippt er, daß es sich um einen bestellten Coup handeln muß. „Dahinter muß ein Bismarck-Liebhaber stecken. Sonst kann niemand etwas mit den Sachen anfangen.“ Daß der liebeskranke Bismarck-Freund nicht nochmal zuschlagen kann, dafür ist gesorgt. Ab sofort hat die Ausstellung eine Nachtwache. Am Montag wollen dann der Uni-Rektor und der zuständige Fachbereich entscheiden, ob die Kanzler-Schau abgebrochen wird. J.G.
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