: Sowohl bukolisch als auch licht
■ Musikhalle: John Eliot Gardiner am Freitagabend mit den NDR-Sinfonikern
Es war ein Debut für John Eliot Gardiner. Der letzte Chefdirigent des NDR-Orchesters, das immer noch einen Nachfolger sucht, war diesmal als Gast in der Musikhalle. Und er nutzte den größeren Spielraum mit einem Programm, das mehr Zukunft bot, als je in der Vergangenheit. Für den Originalklang-Musiker Gardiner, der sich seinen Namen mit Musik von Monteverdi bis Mozart machte, war Hamburg immer auch Trainingsfeld für Erfahrungen mit dem Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts. Bis Kurt Weill ist er dabei gekommen. Diesen Freitag beschritt er den breiten Pfad, der bei Debussy beginnt und bei György Kurtág endet.
Bei den „Gigues“, Eröffnungsstück der späten Images für Orchester, strömte zunächst noch wenig von Debussys, gleichsam in lichtbrechendes Wasser verwandelter Klangwelt. Bukolisches Oboenthema und sachlich Maschinenhaftes im Tutti wollten sich dem Orchester kaum fügen. Das fiel, ob aller rhythmischen Energie und Folkloristik, in Bartoks Tanzsuite leichter.
Danach machte Gardiner Hamburg mit Zoltán Kodálys großartig traurigem Psalmus Hungaricus bekannt. Ein episch melancholischer Tenor (Stefan Margita – seiner Stimme fehlte etwas Pedal – ersetzte den erkrankten Keith Lewis), ein dramatisch heroischer Chor (NDR und Südfunk Stuttgart), ein Dirigent, der sich auf vokal-orchestrale Großprojekte brillant versteht.
Nach der Pause Debussy, zweiter Teil: Rondes de Printemps. Dann Kurtágs Grabstein für Stephan op. 15/c – Feinstklänge knapp oberhalb von Stille, Impulse von Melodien; Musik zum Hörenlernen, sensibel und minimalistisch-lustvoll interpretiert. Am Schluß „Ibéria“, eigentlich Mittelteil der Images, als Rausschmeißer bestens geeignet durch Bolero-verdächtige Stellen und spanische Folklore in funkelnd dynamischem Orchestergewand. Gardiner strich sich im Beifallssturm das schweißnasse Haar zurück – und siehe, jetzt wissen wir, warum er es all die Jahre zwar sorgsam gewaschen, aber immer so unmodisch lang getragen hat: Er verfügt über entzückende Segelohren.
Stefan Siegert
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