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Getrübt -betr.: "Mißbrauch im Namen der Kirche", taz vom 22.10.94

Betr.: „Mißbrauch im Namen der Kirche“, 22.10.94

(...) Leider müssen wir feststellen, daß der klare Blick der taz- Journalistin Annette Bolz für das eigentliche, sehr komplexe Thema Mißbrauch/ Mißbrauch in der Therapie anscheinend durch irgendwas getrübt war und ist.

Fakt ist wohl:

-Mißbrauch darf es nicht geben!

-Mißbrauch in der Therapie darf nicht sein!

-Mißbrauch ist eine Form der Gewalt (teilweise in ihrer subtilsten Form) und sollte auch strafrechtlich verfolgt werden!

-Wird ein Mißbrauch aufgedeckt, sollten sofort klare Konsequenzen gezogen werden, die diese Situation unterbrechen und beenden.

Es macht keinen Unterschied, wo Mißbrauch stattfindet, ob in kirchlichen Einrichtungen, staatlichen Beratungsstellen oder privaten Vereinen, ob in Arztpraxen, bei PsychologInnen, bei RechtsanwältInnen oder in Redaktionen, er ist in jedem Fall verabscheuungswürdig! Mißbrauch in jeder Form ist Machtausübung, die der eigenen Befriedigung auf Kosten anderer dient. Machtausübung ist an vielen Stellen möglich, auch Journalistinnen scheinen nicht frei zu sein!

Sie, Frau Bolz, haben als Journalistin Ihre von Frau Z. erhaltenen Informationen und die Ergebnisse Ihrer Recherchen dazu mißbraucht, nicht nur die vorhandenen Mißstände aufzuzeigen, sondern sehr pauschal und undifferenziert im Rundumschlag alles, was mit Kirche und kirchlicher Beratungsarbeit zu tun hat, in die Pfanne zu hauen und abzustempeln. Das haben Sie sich wirklich sehr einfach gemacht!

Die Schwarzen Schafe in der Gesellschaft gibt es überall, auch in der Kirche - die Geschichte hat es deutlich gezeigt - also..., wen wundert es dann? Was gilt, ist, diese Schafe zu erkennen, in ihrem Tun zu unterbrechen und sie daran zu hindern, weiterzumachen, und das sollte geschehen, ohne daß der Blick dadurch getrübt wird, daß sie im Talar eines Pastors, im weißen Kittel eines Arztes oder in Jeans mit Turnschuhen stecken.

Mißbrauch wird natürlich nicht durch besondere Arbeitsverträge verhindert, da geben wir Ihnen recht, aber er gibt dem Arbeitgeber ein Mittel in die Hand, dies sofort (rechtlich untermauert) zu ahnden und zu unterbinden.

Ein abgeschlossenes Psychologiestudium und eine qualifizierte therapeutische Ausbildung befähigen leider nicht dazu, ein/e gute/r TherapeutIn zu sein und sie verhindern leider auch nicht den Mißbrauch der therapeutischen Situation; es wäre wirklich sehr blauäugig, dies zu glauben! Ehrenamtlich tätige, sogenannte Laien-MitarbeiterInnen, die jahrelang Beratungsarbeit im BSZ gemacht haben und sich ständig fortbilden, sind häufig besser qualifizierte BeraterInnen/ TherapeutInnen als solche, die jung und frischgebacken als Diplom-PsychologInnen mit oder ohne qualifizierter Therapieausbildung sich ins therapeutische Feld stürzen und meinen, daß sie aufgrund ihrer akademischen Ausbildung alles viel besser können und wissen. (Bildung ist nicht alles!)

Ja, Frau Bolz, Sie wünschen sich qualifizierte Therapeuten, um dem Mißbrauch in der Therapie keine Chance zu geben, und wir wünschen uns qualifizierte JournalistInnen, die nicht den Kunstfehler begehen, ein Thema wie „Mißbrauch im Namen der Kirche“ zu ihrer eigenen Befriedigung zu mißbrauchen.

Ineke Koedijk, Nora Höft, Anette Buhmann, Gisela Hartmann, Mitarbeiterinnen des Beratungs- und Seelsorgezentrums St. Petri

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