: Antimafia-Symbol muß vor Gericht
■ Anklage gegen Leoluca Orlando wegen Amtsmißbrauchs
Rom (taz) – Schwere Zeiten auch für Saubermänner: Italiens bis Anfang des Jahres beliebtester Bürgermeister Leoluca Orlando muß vor Gericht. Der dem Bürgermeister von Palermo vor drei Monaten zugestellte Ermittlungsbescheid wegen Amtsmißbrauchs und Begünstigung im Amt wurde in eine formelle Anklage umgewandelt.
Gesellschaft leisten werden ihm weitere 18 Personen, darunter der derzeitige und ein vormaliger Präsident der Region Sizilien (vergleichbar mit den Ministerpräsidenten der Länder): Sie sollen die Fertigstellung des städtischen Teatro Massimo, des altehrwürdigen, doch seit Jahrzehnten stillgelegten Opernhauses, hinausgezögert und dabei die Auftragsumverteilung an eine ihnen genehme Firma begünstigt haben.
Orlando wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, daß er als Bürgermeister auf die Oberaufsicht dieses an sich städtischen Auftrags zugunsten der Regionalverwaltung verzichtet hat. Orlando hatte das seinerzeit mit der damals (1987/88) noch massiven Einmischung mafioser Firmen in öffentliche Aufträge und der damit für ihn undurchführbaren Aufgabe eines sauberen Auftragzuschlags begründet. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte er jedoch nach dem kommunalen Aufgabengesetz nicht die Kompetenz zum Verzicht auf die Leitung des Bauauftrags – ebenso wie sich die Regionalverwaltung hätte weigern müssen, diese danach zu übernehmen.
Eine vergleichsweise Petitesse also wird hier Orlando vorgeworfen, für den Außenstehenden kaum verständlich, war Orlandos Geste seinerzeit doch gerade in der antimafiosen Öffentlichkeit als Dokument sauberer und aufrichtig offener Amtsführung interpretiert worden. Doch Orlando muß sich auch an dem messen lassen, was er, der Rechtsprofessor, immer wieder gefordert hatte: Der Kampf gegen die Mafia kann nur mit absolut rechtsstaatlichen Mitteln geführt werden.
Zum Rücktritt sieht Orlando keinen Grund, obwohl er vordem stets getönt hatte, wer einen Ermittlungsbescheid bekomme, müsse sein Amt grundsätzlich bis zur Klärung der Vorwürfe aufgeben. Seine Rathauskoalition steht bisher noch zu ihm. Die Alternative wären Neuwahlen, bei denen das derzeit mit Zweidrittelmehrheit herrschende Linksbündnis nahezu alle Sitze einbüßen würde.
Das Verfahren könnte dennoch einen Schlußstrich unter den bereits seit einiger Zeit erkennbaren Abstieg des im In- und Ausland berühmten Politikers setzen. Seine Popularität hatte unter schroffen politischen Kehrtwendungen gelitten, zahlreiche Mitstreiter brüskierte er durch sein selbstherrliches Auftreten. So wird Orlando den Prozeß ohne nennenswerten Rückhalt führen müssen. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen