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Die letzten Besucher Schapur Bachtiars

Gestern begann in Paris der Prozeß gegen die mutmaßlichen Mörder des letzten Premierministers von Schah Reza Pahlevi / Ebenfalls angeklagt: Der iranische Geheimdienst  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Bei jedem auffälligen Päckchen sofort die Polizei rufen!“ Die Warnung der Pariser Präfektur erging Anfang der Woche an alle Behörden, touristischen Zentren und Kaufhäuser der französischen Hauptstadt, und sie gilt für mindestens einen Monat – die Dauer des Prozesses gegen drei mutmaßliche Mörder des einstigen iranischen Premierministers Schapur Bachtiar. Ali Vakili Rad (35), Zeynal Abedin Sarhadi (28) und Massoud Hendi (47) stehen seit gestern vor einem Sonderschwurgericht. Den drei Iranern wird Mord, Bildung einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Mit auf der Anklagebank sitzt das Regime in Teheran – dessen Geheimdiensten wirft das Gericht eine Beteiligung an dem Auftragsmord vor.

Ali Vakili war einer jener drei Männer, die am 6. August 1991 zu Schapur Bachtiars Villa in Suresnes bei Paris kamen. Ohne Probleme passierten sie die Kontrollen der französischen Polizisten, die rund um die Uhr vor dem Haus des seit Jahren auf den Todeslisten des Teheraner Regimes stehenden iranischen Exilpolitikers postiert waren. Eine Stunde danach verließen die Besucher die Villa, holten ihre Pässe ab und verschwanden. Zwei Tage später wurden die Leichen des mit Messerstichen ermordeten Bachtiars und seines Sekretärs in der Villa gefunden.

In der Zwischenzeit waren die letzten Besucher Bachtiars abgetaucht. Zwei von ihnen, Ali Vakili und Mohammed Azadi, hatten eine chaotische Flucht in die Schweiz begonnen. Unterwegs stiegen sie an der falschen Bahnstation aus, wurden an einem Grenzübergang zurückgewiesen, vergaßen in einer Telefonzelle ein Notizbuch voller Nummern – und schafften es trotzdem nach Genf.

Nur einer der drei letzten Besucher Bachtiars steht heute vor dem Pariser Gericht. Ali Vakili wurde in der Schweiz verhaftet und nach Frankreich ausgeliefert. Gegen seine beiden flüchtigen Kumpane und weitere vier Mordverdächtige will die französische Justiz ein getrenntes Verfahren in Abwesenheit der Angeklagten führen. Die beiden Männer, die jetzt mit Ali Vakili vor Gericht stehen, arbeiteten zum Mordzeitpunkt in der iranischen Botschaft in der Schweiz. Sie sollen die Einreise der Mörder und die Logistik organisiert haben.

Noch vor wenigen Monaten schien es fraglich, ob das Verfahren überhaupt zustande kommen würde. Anstatt verdächtige Iraner der Justiz zuzuführen, hatte Frankreich mehrfach mutmaßliche Mörder ziehen lassen – einmal sogar einen verurteilten: Anis Nakache hatte 1980 versucht, Bachtiar zu ermorden. Bachtiar entkam, doch zwei andere Menschen fielen dem Anschlag zum Opfer. 1990 begnadigte der französische Staatspräsident François Mitterrand Nakache, der daraufhin in den Iran entschwand. Ende vergangenen Jahres kam es zu einer ähnlichen Geste gegenüber Teheran: Da schickte Paris zwei von der Schweizer Justiz angeforderte Mordverdächtige aus der französischen Haft zurück nach Teheran. Grund: die „nationale Sicherheit.“

Wenige Wochen später legte Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière ein 177 Seiten umfassendes Dossier über die Bachtiar- Mörder und ihre Hintermänner vor. Seine Recherchen legten ein Netz von Auftraggebern offen, das von Teheran über Istanbul bis nach Genf und Paris reichte.

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