piwik no script img

Psychedelik im Bakelit-Gehäuse

■ Laura Kikauka bei „Out of America“, einer Ausstellung nordamerikanischer KünstlerInnen im Amerika Haus

„I get as entertained as the viewer.“ Nur die Augen nehmen ihn in Besitz, einen gebogenen Raum, zum Greifen nah, eine optische Illusion. Tatsächlich gibt die Mixedmedia-Künstlerin Laura Kikauka in einer Kabine, einem Spielzimmer oder Studio, mit Kleidern und Objekten eine Live-Performance. Durch einen Spion kann man ihr zusehen. Aber es gibt einen Vice- Versa-Effekt, denn durch eine zweite Linse ist ihrerseits der ganze Raum vor der Tür übersehbar.

Wird die „Welcome“-Matte betreten, empfängt sie ein Lichtsignal, und dann ist Showtime. Diese Installation („Only Seat in the Theatre“) ist paradigmatisch für die sieben weiteren, die sie ausstellt. Für Kikauka, Tochter lettischer Eltern aus Kanada, war die Übersiedlung nach Ostberlin eine Initialzündung. „Ich habe all diese schönen alten DDR-Maschinen gefunden, vom VEB Robotron etc., die in Massen verschrottet wurden. Das Besondere an ihnen ist ihr Design, wobei der Erfinder und Productdesigner zumeist eine Person waren. Das macht sie zu Unikaten.“ Von Hause aus ein Technik-Maniac, wurde sie so zur Historikerin wider Willen. „Ich habe mich schon immer, anstatt vor dem Fernseher zu sitzen, eher für seine elektronische Rückseite interessiert.“ Ihr eigenes Label dafür ist Profi-Bastler bzw. Techno- Nymph und ihr Output an manipulierten Maschinchen horrend. In den alten Bakelit- oder Hammerschlaggehäusen inszeniert sie mechanische und elektronische Szenen, mit eindeutigen oder psychedelischen Motiven. An zwei Ketten wurde eine Box in Toasterform an der Decke aufgehängt. Seitlich sieht man durch eine Vergrößerungslinse in den Kasten. Da drinnen fahren gaaanz langsam und dann mit einem Ruck eine Eisenröhre und ein gut gefetteter Kolben ineinander, vor verschwommenen fluoreszierenden Sternchen. Ein zweites Guckkastenobjektiv vorne gibt den mehr mechanischen Blick auf ein ehemaliges Antriebselement frei. Lakonischer Titel: „My greasy hole“. Eine andere Arbeit ist ein als Triptychon installiertes bittersüßes Selbstporträt: Über ein dreidimensionales holographisches Porträt Kikaukas, flankiert von zwei sentimentalen Genrebildern heulender Kinder, rinnt unaufhörlich Wasser in ein Becken. Mitte des Jahres hatte sie für die Galerie „O2“ im Prenzlauer Berg ein ganzes Souterrain in ihr imaginäres Studio verwandelt.

Bei der Gemeinschaftsausstellung von sechs amerikanischen und kanadischen KünstlerInnen, die in Berlin leben und arbeiten, sind außerdem allegorische Darstellungen der New Yorkerin Claudia Heart zu sehen. Mit fotografischen Doppel-Selbstporträts erzeugt sie eine surreale Wahrnehmungsirritation: Zum Beispiel in einer Pariser Bibliothek am Tisch sitzend, wie das „Doppelte Lottchen“, die Nase(n) in ein Buch mit dem Titel „Mythes“ gesteckt.

Der kanadische Maler Vincent Trasov coloriert die einander überlagernden Farbsegmente seiner Bilder in der gebrochenen matten Farbigkeit eines Feininger. Der Multimediakünstler Michael Morris, ursprünglich Gast des DAAD und seit 1982 in Berlin, ist mit geometrischen Aquarellen vertreten, sein Thema sind Farbstudien.

Emmett Wiliams, berühmter Fluxist und Poet, stellt Textteppiche aus, auf denen die einzelnen Buchstaben anagrammatisch wie ornamentale Details angeordnet wurden. Desweiteren großformatige graphische Malereien, die ans Testbild der ARD erinnern. Last not least Linda Cunningham, Bildhauerin, Kunstprofessorin und Gastdozentin an der HdK Berlin, mit einer großen Stahlskulptur aus Fundstücken. Ihr Thema: Kunst im öffentlichen Raum, jenseits repräsentativer Denkmalskunst.

Die nordamerikanischen KünstlerInnen sehen sich als „expatriates der 90er“, der Veranstalter spricht sogar vollmundig von Multikulturalität. Vorsichtiger gesagt, ist die künstlerische Reverenz an die Kunst- und Kulturtradition des Berlin der 20er und 30er Jahre jedenfalls nicht die schlechteste Maxime. Gudrun Holz

Bis 29.12., Mo.–Fr. 11–17.30 Uhr, Amerika Haus, Hardenbergstraße 22–24, Charlottenburg.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen