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SEL schmeißt 5.300 Leute raus

■ Geschäftsleitung bald in Frankreich?

Stuttgart (AP/taz) – Die Befürchtungen der 2.000 DemonstrantInnen vor der Tür der SEL- Hauptverwaltung in Stuttgart bewahrheiteten sich am späten Nachmittag: Der Vorstand des Elektronikkonzerns Alcatel SEL will in diesem und im nächsten Jahr 5.300 Stellen streichen. Ganz dichtgemacht werden sollen die Werke in Mannheim und im sächsischen Rochlitz, wo 630 und 390 Leute arbeiten. Die Zahl der Belegschaftsmitglieder wird sich damit von 21.300 Ende 1993 auf 16.000 zum Jahresende 1995 reduzieren, verkündeten die Manager.

Begründet wird die Massenentlassung mit einem dramatischen Ergebniseinbruch. Nach 5,6 Milliarden Mark Umsatz im vergangenen Jahr wird für 1994 mit einem Rückgang um knapp vier Prozent auf 5,4 Milliarden gerechnet. 300 Millionen Mark Miese weist die Bilanz aus. Hinzu kommen Rückstellungen von 200 bis 300 Millionen Mark, die für Restrukturierungsaufwendungen verwendet werden sollen. Die Geschäftsführung hofft, durch den Massenrausschmiß die Kosten um 400 Millionen Mark zu senken.

Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) verlangte die sofortige Absetzung der Unternehmensleitung. Sie bezeichnete es als unseriös, wenn der SEL-Vorstand in den vergangenen zwei Jahren über eine Milliarde Mark in Beteiligungen der französischen Konzernmutter vergrabe und in diesem Jahr bei einem voraussichtlichen Minusergebnis von 380 Millionen von notwendigen radikalen Einschnitten spreche. Wie DAG- Abteilungsleiter Rolf Schmidt mitteilte, liegen seiner Organisation Informationen vor, nach denen die gesamte industrielle Verantwortung innerhalb des Konzerns künftig in Paris, Straßburg, Antwerpen, Madrid und Brüssel angesiedelt werden soll.

Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Dieter Spöri meinte, SEL sei vor allem durch die geänderte Vergabepraxis im Rahmen der Privatisierung von Post und Bahn in große Schwierigkeiten geraten. Genau wie erst letzte Woche bei Zeiss kündigte Spöri volle Unterstützung für die Standorte in seinem Land an. Die Stuttgarter Regierung werde alle Möglichkeiten nutzen, um eine Schließung des Mannheimer Werks zu verhindern.

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