: Nicht nur im Frühling
■ Ein Streifzug durch das jüdische Viertel von Prag ist sicherlich nicht die einzige Attraktion, die Hamburgs Partnerstadt zu bieten hat
„Eine zur Wirklichkeit gewordene Geschichtsstunde“, schwärmt David Stanley im Tschechoslowakei-Handbuch. „Diese Zusammenballung an gotischer, barocker und Jugendstilarchitektur ist umwerfend“, begeistert sich eine Freundin. „Da hat doch Rabbi Löw den Golem erschaffen.“ „Da mußt Du unbedingt mal hin!“ Kaum eine Stadt wird so einhellig begeistert, so liebevoll gelobt wie Hamburgs Partnerstadt Prag.
„Hamburg Altona – Prag Holesovice“ steht auf dem Zug, der täglich um 12.45 Uhr den Dammtorbahnhof verläßt. Statt Radeberger gibt es im Speisewagen inzwischen Budweiser, und die Fahrt geht über Berlin Hauptbahnhof und Dresden Neustadt. Die Luft ist weicher als im Norden, die Landschaft wird bestimmt durch die kleine gewundene Elbe. Um 20.59 Uhr fährt der Zug dann ein in die Goldene Stadt. Prag Holesovice.
Wir wenden uns der Josefsstadt zu. Das jüdische Viertel, in dem die Juden nach dem Bau der Karlsbrücke im 14. Jahrhundert angesiedelt wurden, nachdem sie von der benachbarten „Kleinseite“ vertrieben worden waren. Josefov ( U-Bahnhaltestelle Staromestska) ist einer der charmantesten Stadtteile Prags, mit der Prachtstraße Pariszská, der frühgotischen „AltNeu“-Synagoge in der Maiselova U radnice oder der „Klausen“-Synagoge mit dem dazugehörigen alten jüdischen Friedhof, auf dem bis zu zwölf Verstorbene übereinander bestattet liegen.
Vier- bis fünftausend Mitglieder zählt die jüdische Gemeinde, die auch heute noch in diesem Stadtteil ihre Kultur lebt. Es ist durchaus möglich, im jüdischen Gemeindehaus an einer Feier teilzunehmen. Eine solche Einführung in die jüdische Lebenswelt bieten zum Beispiel Cz-Reisen in der Rappstraße an: Sie organisieren für Interessierte ein Fest mit jiddischen Liedern und koscherem Essen. Als Vorspeise gibt es einen typischen Fischsalat, danach Hähnchen mit Kartoffeln und als Nachspeise Kuchen mit Obst. Dazu trinkt man koscheren Wein. Den beziehen die Tschechen aus einem Anbaugebiet in Rumänien, das zuvor von einem Rabbi gesegnet wurde.
Wer sich profaneren Genüssen hingeben möchte, kann sich in der Pariszská im Jazzclub vergnügen oder schlicht ein gut gekühltes Pils trinken. Zum Beispiel im Ceska Hospoda in der Krakovska 20. Da gibt's auch was zu essen, und das Bier kostet zwanzig Kronen (umgerechnet 1,20 Mark). Das ist zwar, gemessen an dem durchschnittlichen tschechischen Monatseinkommen von etwa 400 Mark recht üppig, aber noch erschwinglich. In der Prager Innenstadt, wo für ein Bier zwischen 60 und 80 Kronen kassiert werden, sind in den Kneipen kaum noch Einheimische zu finden. Oder man schlendert durch die kleinen Läden in Josefov. In vielen von ihnen wird, in jüdischer Tradition, böhmisches Bleikristall hergestellt und verkauft.
Einen ersten Einblick in die unzähligen Sehenswürdigkeiten, die die Goldene Stadt zu bieten hat, vermittelt das Tschechoslowakei-Handbuch vom Walther Verlag. Neben einer übersichtlichen und spannenden Anleitung mit vielen detaillierten Beschreibungen ist hier auch ein Fußweg nach Prag beschrieben, der allerdings von Wien aus begonnen wird.
Doch auch ab Hamburg kann eine besondere Form der Anreise gewählt werden – vom tschechischen Hafen aus, an Bord eines Frachters. Da hat mann ( und nur der, weil alleinreisende Frauen nicht mitgenommen werden) dann je nach Wetterlage sieben bis zwölf Tage Zeit, sich originär auf Prag einzustimmen. Auskünfte erteilt die Tschechische Elbschiffahrt, Am Saalehafen 49, 20457 Hamburg. Elsa Freese
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