: CDU: Wahlkampf-Deal für den Vulkan
■ High-Tech baut ab / Vulkan-Krise mit 200 Mio. auf den Tag nach der Wahl verschoben?
Bremen rutscht in eine „industriepolitische Katastrophe“, mit der auch das Sanierungsprogramm zu scheintern drohe. Davon ist der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Kudella überzeugt. „Skrupellos“ versuche Bürgermeister Wedemeier die volle Wahrheit bis über den Tag der Bürgerschaftswahl 1995 hinweg zu vertuschen. Insbesonder im Hochtechnologiebereich sollen in den nächsten Jahren hunderte qualifizierter Arbeitsplätze abgebaut werden: bei STN allein 500 von 3.800 im Jahre 1995, 1996 schon nach der jetzigen Planung weitere 150. Bei der Deutschen Aerospace/Airbus werden bis Ende 1995 insgesamt ca. 800 Arbeitsplätze gestrichen, proportional mehr als in Hamburg - damit sei möglicherweise der Standort Bremen gefährdet, fürchtet Kudella. Auch im Raumfahrt-Bereich werde 1995 weiter abgebaut.
Und der Vulkan, Bremens Vorzeige-Konzern, unternehme gerade den „erpresserischen Versuch“, so Kudella, den Senat nach dem Motto: „Entweder ihr gebt uns Geld oder wir bauen (in Bremerhavens Werften) erheblich Arbeitsplätze ab“ den Senat unter Druck zu setzen. 200 Millionen wolle Hennemann haben, in den oberen Etagen des Finanz- und des Wirtschaftsressorts gehe man davon aus, daß Wedemeier dies zugesagt habe. Nur wie das Geld fließen kann, sei noch Thema der Verhandlungen. Vulkan-Chef Hennemann wolle für 150 Millionen Grundstücke abstoßen und für 50 Millionen seine Klöckner-Anteil verkaufen. Mit diesem Geld, so hatte Hennemann im Oktober erklärt, könnten die 2.100 Arbeitsplätze bis Oktober 1995 garantiert werden.
„Das ist ein Deal, um über den 24. September 1995 zu kommen“, kommentiert Kudella diesen Zusammenhang. Dann soll nämlich die Bürgerschaftswahl sein. Wenn es um die Flankierung des Wahlkampfes mit Steuergeldern gehe, sei Wedemeier „skrupellos“. Allein die Zinszahlungen für die bremischen „Schattenhaushalte“, über die die Industriepolitik auf Pump finanziert wurde, machten ca. 70 Millionen im Jahr aus.
Der Vulkan habe, so rechnete Kudella vor, in den letzten 8 Jahren „eine Dreiviertelmilliarde abgezockt“, und „da fehlt viel, das ich hier aus bestimmten Gründen nicht nennen möchte“. Dafür habe Bremen offensichtlich keine Garantie der Arbeitsplätze und der Förderung schiffbaufremder Konzernbereiche verlangt. Nun habe der Vulkan die F&E-Mittel überall dort, wo es keine Komplementärmittel abzuholen gibt, gestrichen. Subventioniert wird aber der Schiffbau im Osten - also baut der Konzern seine Schiffbau-Überkapazitäten aus. Der große Krach im Westen, und das heißt zunächst in Bremerhaven, komme dann am Tag nach der Bürgerschaftswahl.
Anstatt nun „mit der Devise Augen zu noch mehr Geld nachzuwerfen“, sollte Bremen den Vulkan zwingen, ein Konzept für die schiffbaufremden Beschäftigungsbereiche vorzulegen. „Sonst bewirkt das Geld langfristig nichts“. Kudella: „Ich warne davor, aus wahltaktischen Gründen neue Fehler zu machen.“
Kudella treibe ein „unverantwortliches Spiel“ mit den betroffenen Arbeitsplätzen, wenn er „die Standorte Bremen und Bremerhaven schlechtredet“ , konterte Wedemeier gestern nachmittag. Die Ursachen für die Probleme in den Bereichen Schiffbau und Luft- und Raumfahrt „liegen in Bonn“. K.W.
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