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Wir haben keinem geschadet

■ Al DiMeola ist zurück - mit neuer Platte, aktueller Tour und allerhand Hausgedachtem aus Little Italy

Vor 20 Jahren begann seine Karriere als Fusionrocker: mit einem Senkrechtstart bei Chick Coreas Return To Forever. Anfang der 80er Jahre kam Al DiMeola, der Schnell-um-jeden-Preis-Spieler dann noch einmal ganz groß – als Akustiker im legendären Trio mit Paco de Lucia und John McLaughlin. Danach wurde es ruhig um den heute 40jährigen. Nach jahrelanger Medienabstinenz auf kleinen Plattenlabels und Bühnen kehrt er jetzt zurück ins Big Busineß – mit einem Major-Vertrag und seiner weltmusikalisch angehauchten, bei Verve erschienenen CD „Orange & Blue“.

taz: Anfang der Achtziger waren Sie ein Verkaufsschlager des Jazzdepartments von Columbia-Records – obwohl Sie nie Jazz im traditionellen Sinne gespielt haben. Wieso hat man Sie damals rausgeschmissen?

DiMeola: Das ist ein heikles Thema. Und es betrifft eine ganze Reihe von Musikern aus der Fusiongeneration. Es stimmt, daß ich nie den alten Jazz kopiert habe, sondern mehr daran interessiert war, etwas Neues zu entwickeln. Dennoch gehörten wir zum Jazzdepartment von CBS-Records, das damals unter schwarze Leitung kam. Und man hat sehr viel Anstrengung darauf verwandt, die weißen Jazzer aus dem Programm zu kippen und junge schwarze Jazzer unter Vertrag zu nehmen.

Sie meinen die Szene um Wynton Marsalis?

Die ist dann im Zuge dessen dort aufgebaut worden. Aber das Motiv des schwarzen CBS-Jazz- Managements war vornehmlich rassistisch geprägt. Der damalige weiße Direktor von CBS hat mir das später auch persönlich bestätigt, nachdem er den Laden verlassen hatte. Im Laufe der Achtziger wurde hauptsächlich jenes unselige Young-Lions-Konzept verfolgt – junge schwarze Jazzer, die Bebop und Swing kopierten.

Aber Sie können mir doch nicht erzählen, daß man erfolgreiche Leute bei Plattenfirmen so mir nichts, dir nichts rauskickt.

Das fiel alles in die Zeit, als die Fusion- und Jazzrock-Verträge erneuert werden mußten. Und da sich unsere Platten immens gut verkauften, verlangten wir natürlich auch entsprechende Gagen. Es ging also auch um viel Geld. Und ich glaube, daß den Schwarzen damals sehr gestunken hat, daß ausgerechnet die weißen Jazzer die dicke Kohle machen sollten. Also nutzten sie die Chance, uns auszuwechseln. Sie nahmen Leute unter Vertrag, die nichts kosteten und verdienten dennoch an ihnen, auch wenn sie nur sehr wenige Platten verkauften. So fingen dann die Karrieren von Roy Hargrove, Wynton und Branford Marsalis, Arthur Blythe und James Blood Ulmer an – und über Nacht war praktisch das gesamte Jazzdepartment bei CBS all-black. Aber das Potential war doch eigentlich kaum der Rede wert. Wynton Marsalis verkauft heute ganz gut, aber gemessen an unseren damaligen Zahlen nimmt sich selbst das noch mickrig aus. Aber er ist ja auch vor allem als Sprecher designt worden – ein hochtalentierter Musiker gewiß, der jedoch so extrem engstirnig und rassistisch daherkommt, daß es eigentlich nicht zu ertragen ist. Branford jedoch ist in der Hinsicht das genaue Gegenteil von Wynton.

Aber was bezeichnen Sie in diesem Zusammhang als rassistisch?

Den ganzen Bullshit, der Wyntons Gerede durchzieht. Daß die Weißen die besseren Bedingungen hätten und die Schwarzen nur ausnutzen würden. Dieser ganze pissed-off-Müll von gestern. Schließlich sind heute doch die bestverkaufenden Stars Schwarze, oder etwa nicht? Ich meine nicht nur Michael Jackson und Prince – die Charts sind doch mittlerweile überwiegend von schwarzen Stars besetzt. Und das ist auch okay so, wer gut ist, soll auch präsent sein. Aber Wynton spricht von etwas anderem, wenn bei ihm ja offensichtlich nur ein Schwarzer gut sein kann. Das ist rassistisch. Das gehört zu den Dingen, über die zwar in Amerika öffentlich nicht gesprochen wird, die aber jeder zur Kenntnis nimmt. Ich denke, das sollte man auch mal aussprechen. Auch wenn es eigentlich nicht üblich ist, sich darüber in solch einem Interview auszulassen.

In jüngster Zeit scheint sich jedoch auch bei CBS ein Wandel abzuzeichnen. Schließlich haben sich ja auch die älteren schwarzen Musiker darüber beschwert, daß vornehmlich junge und nicht unbedingt immer sehr talentierte Guys es leichter als sie haben, einen Major-Plattenvertrag zu bekommen.

Aber die älteren Musiker haben sich auch immer sehr vehement gegen „Fusion“ ausgesprochen – nicht nur die Leute um Marsalis empfanden das als Synomym für weißen Jazz-Müll.

Eben, dieser ganze Neid- und Frust-Bullshit. Stanley Clarke ist schwarz, oder? Und unser Publikum war immer sehr gemischt. Wir haben doch Leute an den Jazz herangeführt, die vorher nur Rhythm 'n' Blues und Rock gehört haben. Das hat dem Jazz doch gutgetan, auch gerade den alten Musikern, die out waren – wir haben doch keinem geschadet. Miles und Weather Report – ich meine, die haben doch Türen geöffnet.

Die Kritiker haben es ja nicht immer gut mit Ihnen gemeint. Haben Sie darunter gelitten?

Finanziell gewiß nicht, aber persönlich sehr. Sie waren sehr unfair zu mir. Ich meine, ich habe auch Fehler gemacht. Ich war immerhin sehr jung, als ich begann. Da weiß man noch nicht soviel vom Leben. Und ich denke, daß ich mich im Laufe der Jahre sehr verändert habe, persönlich wie künstlerisch. Und hoffe, daß die Kritiker bereit sind, das wahrzunehmen.

Sie sind in der Italian Community von Jersey City in New Jersey aufgewachsen und leben heute noch in der Gegend. Hat dies Ihre Musik beeinflußt?

Meine Eltern stammen aus Neapel. Und die Italian Community, in der ich aufgewachsen bin, ist sehr groß. Als Jugendliche fuhren wir an den Wochenenden immer nach Little Italy in Downtown, Manhattan – genau so, wie ihr es aus den Filmen über italienische Amerikaner kennt. Man könnte fast sagen, daß sich unsere Community bis Little Italy erstreckte. Überall Verwandte und diese eigentümlichen Charaktere – genau die Sorte, wie Robert De Niro sie immer verkörpert. Und die Mafia. Überall Bekannte. Überall Leute, auf die man zählen kann. Einen wie mich wagt man nicht um Tantiemen zu betrügen. Denn wenn man beschissen wird, ruft man die guten Freunde an. Und davon gibt es sehr viele unter uns. So sollte das Leben überall organisiert sein.

Sie machen Witze.

Zugegeben, ich scherze jetzt ein wenig, aber eben nur ein bißchen. In den letzten Jahren erst habe ich gemerkt, wie sehr meine Musik mit dieser Community verwoben ist. Wie der italienische Tango, den Migranten aus Neapel nach Argentinien mitbrachten. Der große Astor Piazzola wuchs in Little Italy auf – und das liegt ja auch in unmittelbarer Nähe zu den Jazzclubs in Greenwich Village. Das sind solche Einflüsse, die ich in seiner Musik spüre. Wenn du deine kulturellen Wurzeln von deiner Musik trennst, bleibt intellektueller Bullshit übrig. Wie du es öfters im Jazz bemerken kannst, wenn er nur noch gefühllos und kopflastig klingt. Ich fühle, daß meine Musik in dieser Hinsicht heute reifer ist als früher. Interview: Christian Broecking

Tourdaten: 12.11. Leipzig, 13.11. Berlin, 14.11. Hannover, 15.11. Frankfurt, 16.11. Köln (mit John Scofield), 17.11. Trier, 18.11. Bremen, 19.11. Hamburg, 20.11. Kassel, 22.11. München, 23.11. Ulm.

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