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Reynolds vor dem Aus?

■ Ein ultrakonservativer Staatsanwalt spaltet die irische Koalitionsregierung

Dublin (taz) – Die irische Koalitionsregierung hängt am seidenen Faden. Die Labour Party boykottiert seit vorgestern die Kabinettssitzungen, hat Premierminister Albert Reynolds und seiner Partei Fianna Fáil (Soldaten des Schicksals) jedoch bis heute abend Zeit eingeräumt, um den Bruch zu kitten. Der Streit zwischen beiden Parteien schwelt seit September. Es geht dabei um die Ernennung des Generalstaatsanwalts Harry Whelehan zum Präsidenten des High Court. Die Labour Party hält den konservativen Juristen für ungeeignet, das zweithöchste Richteramt Irlands zu bekleiden.

Whelehans Karriere als Generalstaatsanwalt war von Anfang an von Kontroversen überschattet. Im Februar 1992 verbot er einer 14jährigen die Ausreise nach England, um eine Abtreibung zu verhindern. Das Mädchen war bei einer Vergewaltigung schwanger geworden. In einem anderen Fall brüskierte er die Richterin Mella Carroll, als er einem Befangenheitsantrag gegen sie nicht widersprach. Die „Gesellschaft zum Schutz ungeborener Kinder“, der Whelehan nahesteht, hatte gegen die Legalisierung von Abtreibungsinformationen geklagt und lehnte die Richterin ab, weil sie einer Frauenrechtsorganisation angehörte. Das Maß war für die Labour Party endgültig voll, als vor zwei Wochen herauskam, daß Whelehan einen nordirischen Auslieferungsantrag für einen katholischen Pfarrer, der 40 Jahre lang Kinder mißbraucht hatte, sieben Monate in seiner Schublade schmoren ließ.

Reynolds beförderte Whelehan am Freitag dennoch im Alleingang zum Präsidenten des High Court. Es ist kaum damit zu rechnen, daß es dem Premierminister heute gelingt, die Wogen zu glätten. Die 33 Abgeordneten der Labour Party sprachen von einem „Vertrauensverlust, der partnerschaftliches Regieren“ ausschließe. Die Labour Party kann entweder eine Koalition mit der rechten Fine Gael und der Democratic Left eingehen oder Neuwahlen herbeiführen. Seit gestern gibt es jedoch auch Stimmen in Fianna Fáil, die Reynolds' Kopf fordern. Das wäre für Labour wohl die einzig annehmbare Lösung, um die Koalition fortzusetzen. Ralf Sotscheck

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