Befangen

■ betr.: „Nicht beantwortete Fra gen“, BürgerrechtlerInnen ant worten auf Gregor Gysi, taz vom 11. 11. 94

Jagen sie ihn nun als einzelne Person oder nicht? Meiner Meinung nach tun sie das mit schon fast pathologisch anmutender Vehemenz. Ein paar Dinge scheinen aber beim näheren Hinsehen inzwischen glasklar: Die Ideen der nichtorganisierten Bürgerbewegung von damals (falls es solche konkret überhaupt gab) konnten von eben jenen BürgerrechtlerInnen nicht in konkrete politische Formeln und Forderungen gebracht werden. Die Verformung, die alle Menschen der DDR erlebt haben, wird keinem angekreidet außer den Anwälten von damals, allen voran Gysi, der eben doch so gründlich smart ist und was hermacht, daß man sich in ihn, wenigstens noch als „Negativobjekt“ der Begierde, offensichtlich durchaus verbeißen kann.

Denn, und das muß man sich immer wieder ins Bewußtsein rufen, eben diese Frau Bohley war es, die 1990 ganz gerne mit Gysi auf eine Personenliste zur Bundestagswahl gegangen wäre! Aber die Zeiten kamen anders; jetzt wird auf der einen Seite „vollständige Offenheit gefordert“, auf der anderen Seite aber dem durch entsprechende Presse Vorverurteilten vorenthalten, welchen Weg zur vollständigen Offenheit er gehen will, und damit auch gleichzeitig das Recht einer sachlichen und adäquaten Verteidigung genommen. Frau Bohley träumt wohl immer noch von „Kontrolle“, Gysi wählt die Gerichte: verständlich, bei dem Maß an Befangenheit, das hier herrscht. Denn, und auch das ist inzwischen glasklar deutlich geworden: bei all den Täter-Opfer-Jagden, ist nicht einmal der Name eines verantwortlichen Richters oder Staatsanwaltes gefallen.

Vom Sozialismus habe sie geträumt, von einem, den es in der DDR nie gab. Das sagt die PDS auch. Übrig bleibt bei mir die brennende Frage, ob das, was da täglich durch die Presse geht, nicht einfach Neid ist, wenn die, die mit der alten SED abgerechnet und aus ihrer Vergangenheit gelernt haben, nun eben politischen Erfolg verbuchen können, der den Namen PDS trägt. Vielleicht die konstruktivere Art und Weise der Vergangenheitsbewältigung als die Schlammschlachten von Bohley & Co. Alexandra Plaickner, Berlin