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Schenken und schenken lassen

■ Anmerkungen zur schönsten Quälerei des Jahres von Hanne Hartung

Die Lektüre der einen oder anderen Frauenzeitschrift mahnt schon an: Es weihnachtet ganz fürchterlich. Backtips, Glitzerengel, neue Kerzen-Variationen, Advents-Punsch mit Zimt und Zitrone. Was dort wohl noch zur Hochsommerzeit in den Fotostudios produziert wurde, verfehlt in diesen grauen Novembertagen seine Wirkung nicht. Nein. Nichts da mit Zeit lassen, von wegen noch fünf Wochen. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen: Es gilt wieder einen Personenkreis von lieben Freunden und Verwandten zu beschenken. Und es gilt, sich rechtzeitig mit dieser Problematik vertraut zu machen, sonst geht es uns wieder so wie jedes Jahr fünf Stunden vor Heiligabend: Wir stehen schweißgebadet vor den Nippes-Regalen einer Kaufhausabteilung und suchen händeringend etwas Sinnvolles, Schönes unter 30 Mark. Die ersten Kirchenglocken läuten bereits, und wir wickeln es irgendwie in buntes Papier und hoffen verstohlen, daß die Beschenkten diesen Mangel an liebevollem Aufwand nicht bemerken.

Erlaubt sei vorweg die Frage: Muß man überhaupt schenken? Ja, wir müssen. Dem ökologischen Schaden von möglicherweise zuviel und unnütz umgesetzter Ware, die möglicherweise sehr schnell wieder dem Wertstoffkreislauf zugeführt wird, steht ein noch sehr viel größerer möglicher psychischer Schaden von enttäuschten Kinder- und Erwachsenenseelen gegenüber. Und wer behauptet, er würde selbst nicht gern beschenkt, der lügt.

Stellen wir uns also der Frage: was schenken, und vor allem wem? Denn dem gewohnten Kreis von Freunden und Verwandten gesellen sich oft Neuzugänge hinzu, zu denen die Schenk-Beziehung noch nicht geklärt ist. Was tun, wenn die neue Freundin des Bruders etwas schenkt, und frau selbst völlig nackend dasteht? Für diesen Fall empfehlen sich Notfallgeschenke, kleine Aufmerksamkeiten wie bunte Seifenkugeln oder Pralinen, die unter fünf Mark kosten und durch adäquate Verpackung als richtiges Geschenk getarnt werden. Schenkt der andere nicht, behält man das Zeug und braucht es selber auf.

Überhaupt ist mit der Verpackung manche Finanz- oder Ideenkrise zu kaschieren. Gerade ältere Verwandte – vor allem Eltern – sind mit selbstgebastelten Verpackungsdetails garantiert zu entzücken (Warnung: Bloß nie vergessen, die Eltern zu beschenken! Sonst ist die Stimmungs-Krise am Tannenbaum vorprogrammiert). Und da Plastikschleifen und Lackpapier inzwischen als umweltschädlich bekannt sind, gelten erfreulicherweise so schlichte Materialien wie Packpapier und Bindfaden in breiten Bevölkerungskreisen als schön (siehe diverse Frauenzeitschriften, siehe oben). Hier, taz-untypischerweise, ein paar Geschenkpapierbasteltips:

–Man nehme braunes Packpapier, packe das Geschenk darin ein (ist billig, fünf Bögen 2 Mark). Vom Rest einen fingerbreiten Streifen abreißen, den Rand ausfransen und aufrollen, so daß eine Blüte entsteht. Zwei Blätter dazu ausschneiden und das Ganze mit Uhu festkleben. Wenn dann noch der Name des Empfängers Buchstabe für Buchstabe ausgeschnitten und aufgeklebt wird, fühlt sich dieser individuell beschenkt.

–Statt Blumen lassen sich auch kleine Schiffchen, Treppchen oder x-beliebige andere Details formen. Sieht edel aus, weil Ton in Ton mit braunem Papier.

–Man nehme wieder Packpapier, male mit hellen Wachskreiden Namen und Blumen oder Wölkchen oder Sterne oder ähnliches auf. Anschließend das Papier mit andersfarbiger Tusche übermalen und trocknen. Sieht aus wie gekauftes Papier und ruft gerade deshalb Entzücken hervor.

–Weißes Papier gleichmäßig mit bunten Kreidestrichen überziehen, diese verwischen und mit FCKW-freiem Haarspray fixieren. Wahlweise Wölkchen oder Sterne malen und verwischen. Sieht aus wie gekauft ...

–Geschenk in braunes Packpapier wickeln. Kleine Engel aus rosa und weißem Fimo modellieren (bei Brigitte abgeguckt) und zusammen mit Tannenzweig aufs Papier kleben. Sieht wohl nicht wie gekauft aus, ruft aber vielleicht trotzdem Entzücken hervor.

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