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Mo wie Minimalismus

„Nicht mixen ist nicht Schlampigkeit, sondern Einstellungssache“ – DJeusen in Berlin, Teil IV: Mo verschnörkelt sich nicht an den Reglern und schert sich nicht um Übergänge  ■ Von Annette Weber

Mo macht DJing zur Kunst und Minimalismus zur Prämisse. Schon ihr Debüt als Plattenauflegerin hatte sie eigentlich mehr zufällig und schon gar nicht im Club- und Tanzladennetz. Ihr erstes Mal Plattenauflegen in Berlin fand im Kunstrahmen statt – als Performance.

Nachdem sie mit der Düsseldorfer Kunstakademie abgeschlossen hatte, übersiedelte Mo nach Berlin, für eine Ausstellung in der Galerie Art Acker plante sie ein Projekt. „Frauen versuchen Musik aufzulegen“ war der provokante Titel des Happenings, an dem sich auch mehrere Freundinnen von ihr beteiligten.

Das Ergebis: Verwirrung in der Kunstwelt, bei Männern und Frauen. Viele wollten mit der Ironie nicht so richtig klarkommen und sahen hundsgemeine Diskriminierungsabsichten hinter dem Titel. Schon das hat Mo Spaß gemacht, und fortan wollte sie lieber DJeuse als Malerin sein.

Das ist Geschichte. Mittlerweile ist Mo nicht nur mitten im Geschehen, jetzt ist auch ihre erste Platte („Kotai + Mo“) auf dem brandneuen Label „Elektro“ erschienen. „Nach den ersten Malen Auflegen war klar für mich, daß ich das machen will, da hat mich keine Galerie mehr interessiert“, beschreibt sie selbst den Weg von der Malerei zum Plattenteller. Jetzt arbeitet sie im House-Techno-Paradies „Hard Wax“ und legt in Berlin und um Berlin herum auf.

In Mos Wohnung sucht man vergeblich nach riesigen technischen Ausstattungen und Wänden, voll mit Platten. Nicht nur, daß sie ihren Stil als „minimalistisch“ beschreiben würde, das scheint auch ihre Auffassung von ihrem Job zu sein. Sie ist nicht diejenige, die sich an den Reglern verschnörkelt, manchmal kommt einfach eine Scheibe nach der andern auf den Teller, ohne sich um smoothe Übergänge zu scheren.

„Nicht mixen ist nicht Schlampigkeit, sondern Einstellungssache“, erklärt sie ihr Konzept.

Der Energieschub, das Adrenalin, das sich beim Auflegen aufbaut, das ist es, was für sie die Energiekurve ausmacht, die sich als Euphorie aufs Publikum überträgt, auf die man als DJeuse wiederum gespannt reagiert und abwartet, ob sich aus der Aktion/Reaktion etwas entwickelt, was Mo eventuell mit „organisch“ beschreiben würde.

Keinerlei Interesse hat sie, eine Hitparadennachfrage zu bedienen. Was Mo zur Zeit interessiert, ist eher die Möglichkeit, absolut zu minimalisieren. Das würde zuallererst bedeuten, daß sie mit zehn Platten am Abend schon auflegen könnte, oder vielleicht sogar nur mit drei. Und das erscheint hinsichtlich des verschwenderischen Umgangs mit Tonträgern, die teilweise nur einmal am Abend als klitzekleiner Teil des Intros Eingang in die Klangwelt finden, ziemlich ungewöhnlich.

Frauen werden nicht gerade ermuntert

Den Anfang zur Dezimierung der Quantität macht sie mit dem Auflegen zweier identischer Platten, die sich dann sozusagen gegenseitig den Puls geben. Es stört sie, daß Platten gekauft werden, die dann nur nach Wiedererkennung und einfacher Eingliederung durchgehört und als Party-Bringer aufgelegt werden.

Auf diesen Platten steckt viel mehr, lassen sich viele Details entdecken, die im Fast-food-Verfahren des Auflegens einfach untergehen. Und genau das versucht sie, durch das Auskosten und Dranbleiben an einer Platte rauszubringen.

Mo sitzt ganz ernst an ihrem großen Küchentisch, der mitten im Zimmer in Berlin Mitte steht. Sie läßt sich nicht vom Fragestrom mitreißen, überlegt sich meist ganz genau, was sie dazu sagen will. Wenn die Fragen zu allgemein eine Antwort, die die Welt erklärt, verlangen, greift sie ein und will sie spezifiziert haben. So zum Beispiel bei ihrer Einschätzung hinsichtlich des geringen Frauenanteils im DJ- Geschäft.

Obwohl es ja an Frauen in den Clubs nicht mangelt, sind aktive Frauen immer noch ganz klar in der Minderheit. Und ob das nun nur an der allgemeinen antrainierten Passivität von Frauen liegt? Diese Erklärung reicht eben auch nicht aus, um das ganze Phänomen in den Griff zu kriegen. Natürlich liege es auch daran, wie Frauen auf Partys, in Clubs und Plattenläden behandelt würden: Da ist es eben nicht immer so, daß Frauen ermutigt werden.

Allerdings sieht Mo die Techno- oder Houseszene nicht als sexistische Ausnahme – auch nicht, was die Texte oder Samples angeht. Sie schaut sich Neuerwerbungen schon genau an oder kennt die Leute, die die Platte aufgenommen haben, und kann dadurch extrem frauenfeindliche Fehlkäufe ausschließen. Mo legt schon Wert darauf, nicht jedes neue Gestöhne sofort auf den Teller zu knallen – abgesehen davon, daß das ohnehin nicht ihren Geschmack trifft.

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