■ Unter uns: Next Door to Alice
Sie leben schon seit Mai 1992 mitten unter uns, die Helden der RTL-Soap-opera „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Sie lieben und kriegen sich, streiten und sticken, lachen und leiden – ganz so wie du und ich. Vor allem aber tun sie all das nicht hinter verschlossenen Türen. Ihre Lebenswelt kennt nur drei Wände. An der vierten steht eine Kamera – für dich und mich.
Auch die Helden der neuen RTL-Daily-Soap „Unter uns“, die ab 28. November für Quote sorgen sollen, verzichten in der Kölner Schillerallee 10 auf die Mauer der Intimität. Täglich von Montag bis Freitag stricken die WG-Bewohner und Café-Betreiber, die Professorenfamilie und und und vor laufender Kamera, um uns zu demonstrieren, wie das Leben eben so ist: ein verworrenes Ränkespiel im 45-Minuten-Takt, unterbrochen allein von ein paar winzigen „Mega-Perls“.
Nur ein paar Blocks weiter probt auch die ARD schon mal für den Ernstfall: Ab dem 2. Januar dreht sich in den WDR-Studios bei Köln-Bocklemünd alles um die „Verbotene Liebe“. 250 Folgen à 25 Minuten lang will man uns in jedem Fall einseifen. Ob's danach weitergeht, werden du und ich und die Quoten entscheiden.
Wir werden uns noch umgucken in diesem Fernsehwinter, der unsere Nachmittage mit mindestens sechs täglichen Serien endgültig dem starren Schema des TV-Programms unterwerfen will. Werden wählen müssen zwischen der „Macht der Leidenschaft“ (ZDF), die Dietmar Schönherr ab dem 5. Dezember umtreibt, dem „Marienhof“, den die ARD im nächsten Jahr ebenfalls täglich ausstrahlen will, zwischen einer noch namenlosen Sat.1-Geheimwaffe, die zwar nicht die schnellste, aber die „beste Serie“ werden will, und einem Pro7-Konzept, das angeblich fertig in der Schublade liegt.
Nach den Daily-Talks haben die deutschen TV-Anstalten nun also die Daily-Soaps entdeckt. Denn wer es einmal geschafft hat, uns an all diese vielen neuen Gesichter zu gewöhnen, hat praktisch ausgesorgt: Die „tägliche Spülung“ ist preiswert, eine Sendeminute kostet im Schnitt schlappe 4.000 Mark. Und so macht man, „unter uns“ gesagt, mit den Dailys nicht nur treue Zuschauer, sondern vor allem Kasse.Klaudia Brunst
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