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„Nato-Angriff bleibt Einzelaktion“

Unterschiedliche Bewertung der Ergebnisse des Nato-Angriffs auf den serbischen Flugplatz Udbina / Kämpfe um Bihać gegen weiter / Spaltung in der Führung der Krajina-Serben?  ■ Aus Zagreb Erich Rathfelder

Die Bombardierung des serbischen Militärflughafens Udbina in der Krajina durch Nato-Kampfflugzeuge wird ein einmaliges Ereignis bleiben. So jedenfalls äußerte sich der Sprecher der Truppen der Vereinten Nationen Unprofor in Zagreb, Michael C. Williams, gestern bei einer Pressekonferenz. Der Angriff der 39 Nato-Flugzeuge am Montag sei eine begrenzte Aktion gewesen und habe ihr Ziel erreicht: Es seien erhebliche Schäden auf der Rollbahn des Flugplatzes entstanden, sie könne auf absehbare Zeit nicht mehr benutzt werden. Dagegen erklärte ein Mitglied der kroatischen Militärführung, daß zwar 20 Flugzeuge und zehn Hubschrauber zerstört worden seien, die Rollbahn jedoch schon in zwei bis drei Tagen wiederhergestellt werden könnte. Nach Angaben der krajina-serbischen Führung gab es bei dem Angriff zwei Tote und drei Verletzte.

Unterdessen geht die Offensive der Armeen der kroatischen und der bosnischen Serben weiter. So wurden zwei britische Flugzeuge bei der von Serben kontrollierten Stadt Banja Luka mit Boden-Luft- Raketen beschossen. Mit Panzern und unterstützt von Kampfhubschraubern versuchen die serbischen Truppen, die nordwestbosnische Stadt Bihać einzuschließen. In der nördlich gelegenen Stadt Velika Kladusa ist es den Truppen des abtrünnigen bosnischen Politikers und Geschäftsmannes Fikret Abdić inzwischen gelungen, einen Teil des Stadtgebietes zu erobern. Den Abdić-Truppen, die etwa 5.000 Mann stark sein sollen, stehen etwa 500 Soldaten der bosnischen Armee gegenüber, die Zahl der Zivilisten in Velika Kladusa ist in Zagreb unbekannt. „Sicher ist, daß die Abdić-Truppen von Offizieren der serbischen Krajina-Armee geleitet werden und von den Serben Waffen erhalten haben“, erklärte Williams. Diese muslimisch-serbische Zusammenarbeit soll nun Thema eines Gesprächs zwischen dem UNO-Unterhändler Akashi und dem serbischen Präsidenten Milošević werden. Wie Williams weiter erklärte, habe der bosnische Präsident Alija Izetbegović der Bitte Akashis entsprochen, die bosnische Armee zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Eine diesbezügliche Antwort von dem bosnischen Serbenführer Karadžić sei jedoch bis gestern nachmittag nicht eingegangen.

Als „verzweifelt“ bezeichneten kroatische Medien die Lage der Zivilbevölkerung in der Region Bihać. Die rund 190.000 Menschen, die von allen Seiten her angegriffen werden, haben seit Mitte Oktober keinerlei humanitäre Hilfe mehr erhalten. Aber auch die Lage der UNO-Soldaten, der etwa 1.200 Mann der Einheit aus Bangladesch, sei kritisch, hieß es im UNO-Hauptquartier in Zagreb. Ihre Bewaffnung sei schlecht, nur 300 Sturmgewehre stünden zur Verfügung. „In den nächsten Tagen muß etwas geschehen, entweder die Serben lassen unsere Versorgungskonvois durch, oder aber wir müssen den Zugang zu unseren Truppen erzwingen“, erklärte Williams auf Nachfrage der taz.

Nach Informationen aus kroatischen Regierungskreisen ist die Haltung der krajina-serbischen Führung in der Frage des Angriffs auf Bihać gespalten. Unklarheit herrsche darüber, wer den Befehl gegeben habe, die Munitionsfabriken in Bihać und Cazin am vergangenen Freitag und Samstag mit Flugzeugen anzugreifen. Offenbar habe die bosnisch-serbische Führung unter Karadžić mit dem Angriff auf Bihać versucht, die Serben der Krajina in den Krieg zu zwingen. In dem Krajina-Politiker Milan Babić und der Militärführung habe er Verbündete gefunden.

So sei es folgerichtig, daß der schon fertiggestellte Vertrag zwischen Kroatien und den Krajina- Serben über die Wiederherstellung von Verkehrsverbindungen und humanitäre Erleichterungen am Sonnabend vom sogenannten Parlament der Krajina abgelehnt wurde. Andere Quellen verweisen jedoch darauf, daß angesichts der Erfahrungen mit der serbischen Politik die Interpretation einer Spaltung zu hochgegriffen sei. Verhandlungen und Kriegsführung gingen da Hand in Hand.

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