piwik no script img

„Frontalangriff auf die Tarifautonomie“

■ Streit um die Pflegefinanzierung

Berlin (AFP/taz) – Nach der Initiative Bayerns, den mühsam erarbeiteten Pflegekompromiß heute im Bundesrat nachbessern zu wollen, ist der Streit um die Finanzierung voll entbrannt.

Die IG Metall drohte gestern mit Streiks, falls für die Pflegeversicherung Überstunden Pflicht oder die Streichung von Urlaubstagen gesetzlich vorgeschrieben würden. Vorstandsmitglied Horst Schmidthenner nannte solche Vorschläge einen „Frontalangriff auf die Tarifautonomie“. Es könne nicht angehen, daß auf Druck der Kirchen der Buß- und Bettag bleibe und Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten würden.

Erste Proteste gegen die in Sachsen vorgesehene Regelung, daß die Arbeitnehmer den vollen Beitrag alleine bezahlen, fanden gestern in Dresden statt. Rund 400 Gewerkschafter versammelten sich vor dem Landtagsgebäude, wo ein Bagger meterhohe Dominosteine umwarf. Die Steine symbolisierten die Pflegeversicherung und andere Säulen der Sozialversicherung. In Bremen beschloß derweil die Bürgerschaft mit einer breiten Mehrheit von CDU und SPD, den Buß-und Bettag abzuschaffen. Die Grünen stimmten dagegen. Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) erklärte, daß diese Finanzierungsart notwendig sei, damit die Arbeitnehmer nicht ab dem 1. Januar 1995 den vollen Beitrag alleine zahlen müssen. Für neue Vorschläge im nächsten Jahr sei er aber offen. Auch der saarländische Landtag beschloß gestern mit CDU- und SPD-Stimmen den Buß- und Bettag für die Finanzierung der Pflegeversicherung zu opfern. Ministerpräsident Oskar Lafontaine (SPD) erklärte, daß er das Gesetz für „ordnungspolitisch“ äußerst bedenklich halte. In NRW haben die Gesetzeslesungen noch nicht begonnen, aber Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) betonte gestern, daß die Streichung eines Feiertages „unumkehrbar“ sei. Und CDU-Politiker Heiner Geißler ist empört: „Es ist beschämend, daß sich ein reiches Land wie Deutschland“, solch eine Diskussion leistet. aku

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen