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Vom Absahnen beim Ausgliedern

■ Nutznießer bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen: Spitzenbeamte Von Florian Marten

Ob Krankenhäuser, Abwasser, Müllabfuhr, Gebäudereinigung, Bundesbahn, Post, Stahlwerke, Wirtschafts- oder Filmförderung –die privatrechtliche Verselbständigung öffentlicher Aufgaben ist in Hamburg und anderswo zum Volkssport von Politikern und Spitzenbeamten geworden. Hehre Gründe, so wird uns versichert, stehen dabei im Vordergrund: Es gelte, die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben aus den Klammern des öffentlichen Dienst- und Haushaltsrechts zu befreien. Die hierdurch ermöglichte Entfesselung der Produktivkräfte, so wird uns versichert, werde zu besserer, billigerer und effizienterer Aufgabenerfüllung führen.

Zwar geht es nur selten um eine wirkliche Privatisierung, sprich den Verkauf an privates Kapital, aber schon die Umwandlung eines Staatsbetriebes in ein privatrechtliches Unternehmen im Staatsbesitz löst, gerade in sozialdemokratischem Hoheitsgebiet, nicht selten Ängste bei den Beschäftigten aus: Der Verlust von Pensionen, sozialer Sicherheit und der Garantie eines lebenslangen Arbeitsplatzes, ja der offenkundige Abschied von der so lange behaupteten Vorbildfunktion des Öffentlichen Dienstes, sorgt für für Zweifel.

Mit geradezu rührendem Einsatz, nicht selten in gekonntem Doppelpaß zwischen ÖTV und Vorgesetzten, wird den einfachen Bediensteten vor einer geplanten Umwandlung dann der Kopf gewaschen. Die Mitarbeiter der Stadtreinigung und jetzt die Krankenhausbeschäftigten können ein Lied davon singen. Besonders spektakulär verlief die größte Ausgliederung der deutschen Wirtschaftsgeschichte, die Umwandlung der Bundesbahn in die Deutsche Bahn AG. In enger Kooperation mit der Eisenbahnergewerkschaft wurde ein gigantisches Schulungs- und Kopfwäsche-Programm durchgezogen, auch die Überleitung von Beamten, Angestellten und Arbeitern wurde präzise – und kostenintensiv geregelt.

Meist geht es den unteren Lohngruppen nach der Ausgliederung zunächst auch wirklich nicht schlechter – bereits erworbene Besitzstände werden in der Regel abgesichert. Anders ist das für den Nachwuchs: Schlechtere Arbeitsbedingungen und ein Absinken des Lohnniveaus sind nicht selten sogar ausdrücklich beabsichtigt. Ganz anders jedoch, und von der Öffentlichkeit fast nie bemerkt, ist das für die Spitzenbeamten, die dank der Ausgliederung zu Vorständen, Geschäftsführern und Prokuristen mutieren dürfen.

Die wahre Entfesselung gilt dabei weniger den Produktivkräften als dem Abschied von Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) und öffentlicher Gehaltsstruktur. Zulagen, Gewinnbeteiligung und Gehälter, von denen selbst Stadtchef Henning Voscherau nur träumen kann, erleichtern den Führungskräften noch den Sprung ins wohlig warme Wasser der privatwirtschaftlichen Gehaltshöhen. Damit alles seinen rechten Gang geht, lassen sich die höheren Beamten rechtzeitig vor der Verselbständigung noch kräftig befördern. Mit treuherzigem Augenaufschlag versichern sie, dies würde die Stadt ja kaum etwas kosten, da sie die höheren Bezüge nur ganz kurze Zeit zahlen muß.

Die öffentlichen Behördenchefs und Spitzenpolitiker, am reibungslosen Übergang von öffentlich zu privat höchlichst interessiert, gewähren die Gnade dieses warmen Händedrucks zum Abschied meist ohne jeden Widerstand und sogar gerne. Daß auch Personalräte und brave Gewerkschaftsaktivisten nicht leer ausgehen, versteht sich von selbst. Bei einer Vielzahl von Ausgliederungen in Hamburg, egal ob im Dunstkreis der Sozial-, Bau-, Wirtschafts- oder Umweltbehörde, waren jeweils richtige Beförderungswellen zu erleben.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der Führungsapparat der nun freien Unternehmen kommt meist erheblich teurer, als die alte Beamtenschar – gespart wird dafür bei Arbeitern und kleinen Angestellten. Jahreseinkommen von 250.000 bis 300.000 Mark, oft gewürzt durch Gewinnbeteiligungen (Gaswerkechef Ulrich Hartmann sackte kürzlich fast 100.000 Mark Prämie ein), steigern Selbstwertgefühl und Lebensstandard.

Darauf angesprochen entgegnen die Profiteure ganz entrüstet: Es sei doch wohl selbstverständlich, in der „freien“ Wirtschaft entsprechend zu zahlen! Und dabei sei man doch im Vergleich ausgesprochen bescheiden! Ein Argument, welches nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Auf die spitze Gegenfrage, ob die Leistung denn auch der eines privaten Spitzenmanagers entspreche, reagieren die Herren bitter beleidigt. Ob man etwa an ihrer Kompetenz zweifle? Sicher, auch in der freien Wirtschaft wimmelt es von gut bezahlten „Nieten in Nadelstreifen“. Aber: Der Hamburger Filz besetzt Spitzenposten selten nach Leistung – Ulrich Hartmann und Ex-Landesbank-Chef Hans Fahning, beide überraschend gute Spitzenmanager, bilden die Ausnahmen von der Regel.

Die Praxis dagegen zeigt, daß sich in den ausgegliederten Staatsbetrieben außer den Einkommen der Führungsebene oft nur wenig ändert. Da wird im alten Trott weitergewurstelt, wobei die Unternehmensspitze auch noch die geringere Kontrolle genießt und frühere Unbeweglichkeit aufgrund des – zugegeben problematischen – Öffentlichen Dienstrechts durch Schlampigkeit und Wurstigkeit ersetzt.

Insider meinen denn auch, ohne eine grundlegende Reform der Personalrekrutierung sei keine Besserung zu erwarten. Ihr Wunschkatalog: klare Unternehmenskonzepte bei Ausgliederung, kompetente Personalentwicklungspläne und politische Aufsichts- und Controllinggremien, die für eine wirkliche Entfesselung der staatlichen Produktivkräfte sorgen.

Und noch ein kleiner Tip für die Bürgerschaftsabgeordneten: Die taz empfiehlt, bei der nächsten Ausgliederung Kleine Anfragen zum Thema Beförderung und Managementstruktur zu stellen. Die Alternative wollen wir nicht verschweigen: Es soll schon vorgekommen sein, daß auch Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft von Ausgliederungen profitierten.

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