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"Es lohnt sich - für die Menschen"

■ Manfred von Richthofen, ab Samstag neuer Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), will auf der Suche nach einer finanzierbaren Zukunft des Sports pragmatisch "auf die Wünsche der Wirtschaft zum ...

Hans Hansen (68) geht – Manfred von Richthofen (60) kommt. Übermorgen wird der Präsident des Berliner Landessportbundes im Ostseebad Timmendorfer Strand zum neuen Präsidenten des 24 Millionen Mitglieder starken Deutschen Sportbundes (DSB) gewählt werden. Der Neffe des gleichnamigen Weltkrieg-I-Kampffliegers, ein gelernter Diplom-Sportlehrer, war stellvertretender Berliner CDU- Vorsitzender, ist wirtschaftlich unabhängig durch Spielbankbeteiligungen und Aufsichtsratssitze und arbeitet seit einem Vierteljahrhundert als „professioneller Sportpolitiker“ (FAZ). Die Dialogprobleme zwischen den mächtigen „Partnern“ Politik und Wirtschaft und dem Sport will er mit dem bewährten Prinzip „Leistung – Gegenleistung“ beheben. Wer das Geld der Wirtschaft haben will, sagt der Freiherr, müsse auch „auf ihre Wünsche zum Teil eingehen“.

taz: Sie sind, sagen Sie, ein Mann der deutlichen Worte?

Manfred von Richthofen: Ich sag das nicht. Ich benutze deutliche Worte.

Es trifft sich jedenfalls gut, denn ihre zukünftigen Partner werden gerade in diesen Tagen auch deutlicher. Zuletzt hat das Innenministerium den Sportfunktionären Versagen vorgeworfen.

Der Zeitpunkt kann mit Bedacht gewählt sein, es kann aber auch sein, daß da ein Ministerialrat weit übers Ziel hinausgeschossen ist. Das kann man nur mit dem Minister klären.

Der heißt Kanther.

Der heißt Kanther.

Nicht Schäuble.

Schäuble war ein Innenminister, der mit dem Sport sehr verbunden war, und bei dem jetzigen muß sich das erst herausstellen. Er hat sich bisher nicht sooo deutlich engagiert wie zum Beispiel Seiters, zum Beispiel Schäuble, zum Beispiel Höcherl. Kanther hat diese ganz enge Beziehung zum Sport nicht. Das heißt aber nicht, daß man ihn nicht noch überzeugen kann.

Was bewegt Sie, diese Überzeugungsarbeit leisten zu wollen?

Also, ich bin im Sport groß geworden. Ich war in einem Internat, in dem Sport im Mittelpunkt stand, habe dann in der Oberliga lange Hockey gespielt. War immer Spielertrainer. Dann ehrenamtlicher Verbandstrainer. Bin dann in die organisatorische Laufbahn gegangen. Insofern hat man eine enge Verbindung, daß man doch sagt: Es lohnt sich – für die Menschen.

Diesem klassischen Ansatz des Engagements stehen die marktwirtschaftlichen Strategien des „Partners“ Wirtschaft entgegen?

Ich habe einen relativ unkomplizierten Umgang mit der Wirtschaft und leide nicht darunter, daß sie sagt: Ich will für das, was ich euch gebe, auch etwas sehen. Das müssen sie. Gegenüber Gesellschaftern und Aktionären müssen sie erklären, was sie mit dem Geld gemacht haben. Das betrifft aber erst mal den Spitzensport.

Der Breitensport interessiert die Wirtschaft mäßig.

Das ist die Frage. Es wird das zentrale Thema bei Gesprächen mit der Wirtschaft sein, ob ein Engagement im Breitensport nicht auf Dauer eine mindestens genausogute Werbung bedeutet.

Nicht nur Daimler, auch die traditionell den Sport fördernden mittelständischen Unternehmen planen längst die Eroberung des europäischen Marktes und die Eroberung europäischer Sport-Wettbewerbe parallel. Wird da der Sport nur noch benutzt?

Ich sehe das nicht so eng, so verkrampft. Wenn wir mit der Wirtschaft in einen engeren Kontakt kommen müssen, müssen wir auch auf ihre Wünsche zum Teil eingehen. Also: Leistung – Gegenleistung. Die Gegenleistungen werden klarer formuliert werden müssen. Es hat gar keinen Sinn, daß sich der Sport dagegen wehrt. Wir könnten ja sagen: Wir pfeifen auf das Geld der Wirtschaft. Nur werden wir dann international nur noch schwer mithalten können.

Der wichtigste deutsche Sportsponsor Daimler denkt auch in Sachen Sportförderung längst international, an den Weltmarkt. Das lobenswerte Motto: Unsere Produkte kennen keine Grenzen. Ist das eine Gefahr für den deutschen Spitzensport?

Es kann eine Gefahr bedeuten, wenn dem so ist. Fest steht aber, daß Daimler sehr aktiv in dieser Großkonzerngruppe mitspricht, wenn es gilt, neue Wege zum Sport zu finden. Denn Herr Kleinert (der Daimler-Vorstandssprecher Matthias Kleinert, Anm. der Red.) kommt ja nicht aus persönlichem Ehrgeiz, er wird von seiner Konzernspitze in diese Gespräche geschickt. Da stellt er alle möglichen Forderungen, und das zeigt mir ja, das Daimler weiter Interesse hat, in der Spitzensportförderung mitzutun. Es gab ja diverse Mißverständnisse zwischen Sport und Wirtschaft. Daß bestimmte Sprecher der Wirtschaft gesagt haben, sie wollten nicht immer mit drei Institutionen (DSB, NOK und Sporthilfe, Anm. der Red.) sprechen: Ich sehe da weniger Probleme als der eine oder andere, sich auf einen Sprecherrat oder die Sprecherrolle zu einigen. Ich kann die unterschiedlichen Funktionen der drei Organisationen der Wirtschaft gerne noch mal erklären.

Glauben Sie, daß Kleinert das noch nicht weiß und nach dieser Erklärung plötzlich ganz milde gestimmt sein wird?

Ooch, ich hab' mit Herrn Kleinert vor ein paar Tagen gesprochen. der läßt sich das schon erklären. Ich habe auch einiges aufgezählt, wo eine Zusammenarbeit sinnvoll ist. Ich habe nicht das Gefühl, daß sich die Wirtschaft vom Sport abkapseln möchte. Im Gegenteil.

Das kann die sich nicht erlauben?

Glaube ich auch nicht.

Haben Sie das Gefühl, gleichberechtigt zu sein, oder sagen Sie: Wir nehmen, was wir kriegen, und tun dafür, was verlangt wird?

Es gilt schon aufzupassen. Ich muß in dem Moment wählerisch sein, wo es Wirtschaftsvertreter gibt, die in die Organisation des Sports eingreifen wollen. Es geht ja nicht, daß ein Wirtschaftsunternehmen zum Beispiel bestimmt, wer in die Olympiamannschaft aufgenommen wird.

Wenn also Kleinert die Stimme der Wirtschaft ist, wie das in Leverkusen beschlossen wurde ...

Das hat nun ein kleinerer Kreis vereinbart. Es wird aber durch die Gespräche ein größerer Kreis angesprochen werden. Es ist nicht meine Aufgabe, zu bestimmen, wer da Sprecher ist. Bisher ist Kleinert von mehreren Wirtschaftsunternehmen gebeten worden, als Sprecher aufzutreten. Mein heutiger Stand ist, daß der Matthias Kleinert auch bei dem neuen Daimler-Chef seine jetzige Position behält, insofern wird er immer ein wichtiger Sprecher sein.

Dieses „Geben und Nehmen“, jene Formel, die Kleinert herunterbetet, meint doch für ihn schlicht: Wir wollen so viele Mercedes wie möglich verkaufen?

Natürlich.

Alles andere ist im Prinzip uninteressant?

Ich werde Ihnen das mal sehr hart formulieren, indem ich sage: Ich bin der leistungstärkste Automobilkonzern der Welt. Aus diesem Grunde paare ich mich mit bestimmten Kulturformen und Bereichen des Sports, von denen ich meine, daß sie auch stark in der Welt sind. Die unterstützen meinen Anspruch, Weltspitze zu sein. Da muß der Sport sagen: Wir haben Verständnis für Ihre Geschäftspolitik, aber denken Sie daran, daß die Weltspitze von heute morgen zurücktreten wird. Sie müssen also auch systematisch etwas für den Nachwuchs tun. Dann schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich komme ihnen entgegen, weil sie ihre Aushängeschilder haben, und sie müssen den Nachwuchs berücksichtigen, ohne daß sich das zunächst vermarkten ließe.

Die „gesellschaftspolitische Verantwortung“ endet also nicht da, wo sie sich nicht mehr rechnet?

Ich verstehe Sie mit Ihrer politischen Einstellung gegenüber diesen Großkonzernen. Aber: Es spielt sich zwar bei vielen dieser Gespräche so ab, daß es sich rechnen muß, aber es gibt auch viele verantwortliche Wirtschaftsführer, bei denen wäre es unfair zu sagen, daß alles nur „Geben, nehmen und es muß sich rechnen“ sei.

Das Gespräch führte Peter Unfried

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