piwik no script img

Bremens CDU auf Partnersuche

■ Parteichef Neumann: Koalition mit Grünen kein Tabu, mit der SPD nur „im Notfall“

Bernd Neumann, Bremer Landesvorsitzender der CDU, hat gestern den Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl im September '95 eingeläutet. Nach einer Klausurtagung von Landesvorstand und Bürgerschaftsfraktion am vergangenen Wochenende steht zumindest das Gerüst.

Eine Zusammenarbeit mit den Grünen schließt der CDU-Chef ausdrücklich nicht mehr aus. Damit liegt der gewiefte Bonn-Politiker und Staatssekretär im „Zukunftsministerium“ ganz im Trend der Zeit. Nach der Wahl „werden wir uns mit allen demokratischen Parteien an einen Tisch setzen“, sagte Neumann. DVU und PDS sind für Neumann allerdings „indiskutabel“, und fast scheint es, als wenn er die SPD auch in jene Riege einreihen möchte: „Nur wenn überhaupt nichts anderes geht, ist eine große Koalition eine Möglichkeit“.

Vornehmstes Ziel der Bremer CDU sei es, die SPD in die Opposition zu zwingen. Denn die seit knapp einem halben Jahrhundert im Stadtstaat regierende Partei habe auf der ganzen Linie versagt. Vor allem an Bürgermeister Klaus Wedemeier läßt Neumann kein gutes Haar. „Wedemeier ist der erfolgloseste Chef aller Bundesländer“, meint Neumannn. Am krassesten sei die katastrophale Finanzplanung, der Haushalt 1995 mit 7,5 Milliarden Mark sei „völlig ungedeckt“.

Zudem sieht Neumann ein Damoklesschwert über der hanseatischen Selbständigkeit schweben: „Bis 1998 müssen wir einen dramatischen Überlebenskampf führen“. Nach der Sanierungsvereinbarung wollte Bremen eigentlich jährlich rund 840 Millionen Mark Altschulden tilgen. In diesem Jahr schafft das Land jedoch gerade mal 275 Millionen Mark dafür beiseite, 1995 wird es wohl nicht mehr sein.

Neben der SPD sei die FDP mit Schuld an dem Desaster, so Neumann. „Wir machen die FDP verantwortlich“, sagt er und rät den Freidemokraten doch noch rechtzeitig das lecke sozialdemokratische Boot zu verlassen. Doch nützen werde es der FDP sowieso nicht mehr viel, denn der CDU-Politiker traut den Liberalen kaum noch fünf Prozent der Wählerstimmen zu.

Da glaubt er schon eher an die Grünen, schließlich ist „Ralf Fücks ein intelligenter Mann, im Verhältnis zu seinen SPD-Kollegen“. Karin Krusche, stellvertretende Sprecherin des Landesvorstands der Grünen, findet es „interessant, daß die CDU sich in Richtung Grüne bewegt“. Doch für Bremen kann sie sich eine Koalition mit der CDU nur schwer vorstellen. Eine schwar-grüne Koalition sei nur sinnvoll in Gegenden, in denen die SPD vollkommen abgewirtschaftet habe. Soweit sei Bremen noch nicht.

„Die politische Nähe zur SPD ist immer noch größer, als die zur CDU“, meint Krusche. Dennoch würden sich natürlich auch die Grünen nach der Wahl „mit allen demokratischen Parteien an einen Tisch setzen“.

Die Grünen sind für die Bremer 30-Prozent-CDU auch deswegen interessant, weil es bei ihnen womöglich etwas zu holen gibt. „Mit den Grünen streiten wir zum Teil um die gleichen Wähler“, hat Bernd Neumann von einem Meinungsforscher erfahren, „die Jungwähler gehen von der CDU teilweise direkt zu den Grünen“.

Ulrike Fokken

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen