■ Daumenkino: Zou-Zou
Jean hat sich einen Kindheitstraum erfüllt und ist zur See gefahren. In Manila sitzt er mit einem Mädchen in einer Hafenbar, schreibt an Zou-Zou und sieht gelassen den Einheimischen bei ihrem Treiben zu. Wo sind wir hier eigentlich?
In den Kolonien, denkt Jean, und wie er dachten in den 20er Jahren die meisten Franzosen. Daß Manila nie französisch war, hätte höchstens ein Amerikaner bemäkelt. Natürlich waren es auch Amerikaner, die 1931 die Wahl der Josephine Baker zur Königin der Kolonialausstellung in Paris kritisierten. Dabei war sie schwarz und konnte ihre Gliedmaßen zu Jazzrhythmen schütteln, daß es eine Art war. In den Kolonien war das Leben leicht wie eine Papageienfeder. Die Einheimischen kannten die Geheimnisse des Lebens, und dank ihrer kindlich- großzügigen Natur waren sie bereit, auch einen verknöcherten Europäer in jene einzuweihen. Hatten die Tahitianer nicht Monsieur Gaughin das Malen beigebracht? Und lehrte Josephine Baker jetzt nicht die Pariser das Tanzen? Wen interessierte da, daß Manila nie französisch und Josephine Baker in St. Louis, USA geboren war? Einen Franzosen gewiß nicht.
Es war diese etwas verschrobene Vorstellung vieler Franzosen von ihren Kolonialangehörigen, die es ganz natürlich erscheinen ließ, daß Josephine Baker 1924 in einem französischen Film die Hauptrolle spielen konnte, ohne daß ihre Hautfarbe dabei irgendeine Rolle spielte. Im Gegensatz zu den Amerikanern hatten die Franzosen absolut nichts dagegen, einen der ihren in einem Liebesverhältnis mit einer Schwarzen auf der Leinwand zu sehen. Es war im Gegenteil überaus wünschenswert. In Zou-Zou spielt die Baker eine Wäscherin, die einen jungen Mann liebt – Jean, den Matrosen –, der sich bei seiner Rückkehr dummerweise in ihre Freundin verliebt. Zu allem Unglück wird Jean auch noch des Mordes verdächtigt, und die Baker muß ein Revuestar werden, damit das Geld für seine Rettung zusammenkommt. Angetan mit einem schicken Kostüm, Pelzmütze und -muff will sie ihn vom Gefängnis abholen und kommt gerade recht, um ihn in den Armen ihrer Freundin zu sehen. Es ist ein entsetzlich schlechter Film. Nur eine winzig kurze Tanzeinlage gibt eine Ahnung davon, warum die Franzosen Josephine Baker so ekstatisch liebten. Sie hatte Schwung. Sie hatte mehr Schwung als der ganze Haufen vor sich hinstolpernder französischer Chorusgirls zusammen. Wen interessiert da, daß die Choreographie grausam dilettantisch ist, die Tänzerinnen alle zehn Pfund zuviel auf den Rippen haben, um noch als halbwegs elegant durchzugehen, die Baker eine fürchterliche Chargeuse ist, Jean Gabin eben Jean Gabin spielt und zu allem Überfluß auch noch die Anschlüsse vorne und hinten nicht zusammenpassen? Einen Franzosen gewiß nicht. Anja Seeliger
Regie: Marc Allegret, F 1934.
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