: Abgase zu Land und in der Luft
■ Bis zu 78.000 Autos rollen täglich zum Großflughafen
Nicht nur die dünne Luft in großen Höhen wird dicker, wenn dereinst ein Jet nach dem anderen vom neuen Großflughafen Berlin- Brandenburg International startet. Was oben die Triebwerke der Düsenklipper leisten, schaffen auf der Erde Tag für Tag die Auspuffrohre von 78.000 Autos. Diese Zahl von Kraftfahrzeugen wird nach Schätzungen der Flughafen-Holding zum neuen Airport rollen, sollte er bei Schönefeld gebaut werden. Im Falle der beiden weiter südlich gelegenen Standorte Sperenberg und Jüterbog-Ost könnte der Verkehrsstrom etwas geringer ausfallen. Passagiere, Zulieferer und Beschäftigte kommen nur mit 71.000 oder 68.000 Autos. Die durch den Flughafen entstehende Verkehrsmenge entspricht ungefähr dem Betrieb auf einer sechsspurigen, gut ausgelasteten Autobahn.
Diese Zahlen entstammen den von der Flughafen-Holding beim brandenburgischen Umweltministerium eingereichten Unterlagen für das Raumordnungsverfahren. Ohne selbst neue Untersuchungen einzuleiten, hat das Ministerium die Zahlen übernommen und sie Mitte November zur Grundlage seiner Standort-Empfehlung gemacht. Ergebnis: Nicht Schönefeld, sondern Sperenberg oder Jüterbog-Ost soll es sein.
Die stärksten Verkehrsströme werden in jedem Fall von Norden, aus Berlin, kommen. Wieviel Fluggäste aus den südlich gelegenen Regionen Sachsens und Thüringens per Auto anreisen, hat die Flughafen-Gesellschaft nur für Jüterbog-Ost aufgeschlüsselt. Weil dieser Standort näher an Halle und Leipzig liegt, schätzen die PlanerInnen die Belastung der südlichen Straßenanbindung auf knapp 15.000 Fahrzeuge pro Tag.
Interessant ist die prognostizierte Verteilung zwischen motorisiertem Individualverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln. Während man für Sperenberg und Jüterbog-Ost davon ausgeht, daß 55 und 56 Prozent der Reisenden die Bahn benutzen, sollen es für Schönefeld nur 48 Prozent sein. Ein Grund dafür liegt im sogenannten „Pilzkonzept“ der Deutschen Bahn AG für die Schienenerschließung Berlins. Weil die neuen Bahntrassen auf den noch zu bauenden Berliner Zentralbahnhof ausgerichtet sind und der alte Schienenring um die Stadt nur teilweise renoviert wird, ist der Standort Schönefeld mit dem schnellen ICE kaum zu erreichen. Sperenberg und Jüterbog-Ost dagegen werden einen direkten Schnellbahnanschluß bekommen, weil sie an der nach Leipzig und München führenden ICE-Strecke liegen. Folge für Schönefeld: Die Fluggäste müssen am Zentralbahnhof in die S- oder U-Bahn umsteigen, was das Zugfahren ab- und das Autofahren aufwertet. Dieser Nachteil dürfte eine Rolle gespielt haben, als Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck den Stab über Schönefeld brach.
Doch die Prognosen des Verkehrsaufkommens sind mit Vorsicht zu genießen. Denn die Schätzungen der Flughafen-Holding beruhen auf inzwischen überholten Hochrechnungen der Steigerung des Luftverkehrs. Sollte ursprünglich ein Luftkreuz für sechzig Millionen Passagiere jährlich entstehen, sieht das brandenburgische Umweltministerium im Jahr 2030 maximal dreißig Millionen Leute abheben. „Da passiert auch weniger auf der Straße“, folgert Ministeriums-Mitarbeiter Dietmar Szidat. So werden, sollte es jemals zum Baubeginn kommen, die Straßenbauwünsche der Luftmanager wohl herbe zusammengestrichen. Während die Holding plant, kleine Landesstraßen bei Sperenberg und Jüterbog-Ost in vierspurige Autobahnzubringer umzufunktionieren, sei die Renovierung der bestehenden Fahrspuren völlig ausreichend, ist aus dem Umweltministerium zu hören.
Auch die Bundesstraßen zwischen den brandenburgischen Kleinstädten und Berlin sind noch nicht auf vier Spuren verbreitert. Dort sind Sparvarianten mit nur drei Fahrstreifen im Gespräch. Klar aber ist, daß der Straßenverkehr in den noch ruhigen Landstrichen in jedem Fall deutlich zunehmen wird. Hannes Koch
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