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Bafög vorm Richter

■ Es darf unterm Sozialminimum liegen

Bremen (taz) – Wenn es nach dem gesunden Menschenverstand ginge, bekäme Sven Sommerfeldt recht. Doch dann bräuchte der Bremer Jurastudent auch nicht die Gerichte zu bemühen. Jetzt aber hält er den schriftlichen Beweis in den Händen, daß zwar alle Menschen gleich, Studierende jedoch etwas ungleicher sind. Sommerfeldt hatte vor dem Bremer Verwaltungsgericht dagegen geklagt, daß sein Bafög-Satz niedriger lag als das Existenzminimum eines Sozialhilfeempfängers. Mit seiner Forderung nach höherer Förderung war der Student bereits bei der Bremer Bildungsbehörde abgeblitzt.

Das Bundesverfassungsgericht verwies seine Beschwerde auf den Instanzenweg: Dort haben jetzt die Bremer Richter die Ungleichbehandlung von Studierenden und SozialhilfeempfängerInnen abgesegnet: Das Bafög-Gesetz, so ihr Urteil, ist nicht verfassungswidrig, weil es für StudentInnen geringere Hilfen als für SozialhilfeempfängerInnen vorsieht. Der Kläger will gegen das Urteil Berufung einlegen. Seine Rechnung: Existenzminimum sei schließlich Existenzminimum. Ihm werde aber als Bafög- Bezieher zugemutet, mit 870 Mark monatlich auszukommen, während das Bundesverfassungsgericht die Leistungen für einen Sozialhilfeempfänger mit „mindestens 1.000 Mark“ veranschlage. Dadurch sah der angehende Jurist den Grundsatz der Gleichbehandlung ebenso verletzt wie seine Freiheit der Berufswahl. Dieser Argumentation konnte das Verwaltungsgericht nichts abgewinnen. Er bewege sich „juristisch auf dünnem Eis“, erklärten sie ihrem zukünftigen Kollegen. Ein „Recht auf geförderte Ausbildung“ gebe es nicht, der Gedanke, das „Grundgesetz gewähre einem Jurastudenten Anspruch auf einen Computer“, könne nicht nachvollzogen werden, schließlich bliebe der „Mindestbedarf eines Studenten auch dann nicht in evidenter Weise ungedeckt, wenn er gezwungen ist, die Bücher der Bibliothek zu nutzen oder mit dem Fahrrad zur Universität zu fahren“. In der Bafög-Regelung sei kein Akt von Behördenwillkür zu entdecken: „Studenten befinden sich in einer besonderen Lebenssituation und einem besonderen sozialen Umfeld, das ihnen Einsparungen gegenüber Sozialhilfeempfängern erleichtert.“ Die Menschenwürde von Studis sei durch materiellen Mangel weniger in Gefahr als die Würde von Sozialhilfeempfängern. „Wenn ein Sozialhilfeempfänger jemanden einlädt, dann blamiert er sich, wenn er keinen Wein anbieten kann – Studenten können auch Tee servieren.“

Schließlich bekommen StudentInnen nach Ansicht des Gerichts auch Vergünstigungen, die SozialhilfebezieherInnen nicht zustehen: So könnten Studierende Geld von ihren Eltern einfordern oder bis zu einem Freibetrag neben dem Studium Geld verdienen, ohne es sich aufs Bafög anrechnen zu lassen (Kläger: „dafür bleibt im Studium keine Zeit“). Außerdem gebe es für Studenten indirekte Subventionen wie etwa bei den Studentenwohnungen (Kläger: „für nicht mal zehn Prozent der Studenten“), beim billigen Mensa-Essen („davon wird man nicht satt“) oder bei verbilligten Karten für Kino und Theater („nur noch in einem Kino in Bremen“). Schließlich befänden sich Sozialhilfeberechtigte in einer unverschuldeten Notlage, befand das Gericht, während Studierende ihren Status „frei gewählt“ hätten. Die größere materielle Einschränkung beim Studium könne ihnen auch zugemutet werden, weil StudentInnen nach den Lehrjahren an der Uni später bessere Chancen im Beruf hätten (Kläger: „die Zeiten sind vorbei“).

Fürs Gericht dagegen ist klar: „Förderung nach dem Bafög ist gegenüber dem Recht auf Sozialhilfe in Notlagen eher ein Privileg als eine Schlechterstellung.“ Bernhard Pötter

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