piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Bester Punkrock dieses Planeten: Therapy? im Huxley's Junior

Noch Ende 1991 riet uns das Spex-Magazin, den Erstling von Therapy? „am besten zu ignorieren“. Gute drei Jahre später entdeckte dasselbe Blatt, daß Rock doch nicht so schlecht sei, hievte Pavement aufs Titelbild, widmete Therapy? zwei leidenschaftlich vollgeschriebene Seiten und prophezeite dem irischen Trio „ein Chartmassaker in abgehangener Faith- No-More-Größe“. Zur rechten Zeit erkannt, weil Therapy? nach einigen halbgaren Platten (die sich zwischen sumpfiger Rockigkeit und Spaß am Lärm nicht recht entscheiden konnten) schließlich gefunden hatten, was sie wirklich gut konnten. Und der Zeitgeist nickte weise dazu Therapy?Foto: promo

und befahl die Single „Screamager“ in die britischen Top ten. Kurz zuvor hatten sie noch schnell ihre irische Verwandschaft abgehakt, „Teenage Kicks“ (was sonst) von den Undertones und U2s „With or Without You“ (eher unpassend) gecovert. Doch alles war nur ein Vorgeschmack auf „Troublegum“, jenes Album, mit dem Punkrock plötzlich einfach wieder Punkrock war.

Immer geradeaus, wenn auch nicht ausschließlich mit den klassischen drei Akkorden: Melodien, daß Badewannen vor Freude glucksten und Texte, die so taten, als gäbe es noch irgendwelche Tabus. Ihr großer Pluspunkt dabei war die Stilsicherheit, mit der sie das Märchen vom jung-wütenden Rebellen noch ein letztes Mal wachküßten. Wie pubertierende Jungs kommen sie von der ersten Zeile an punkrotznasig frech daher: „I'm gonna get drunk/ Come round and fuck you up“ oder „Masturbation saved my life“. So geht es weiter, wohlwissend, daß eh alles erlaubt ist. Dazu gibt es die Legende, daß die drei aus Belfast erstmals für diese Platte die Songs mit Hilfe einer akustischen Gitarre gedichtet hätten. Also: Lagerfeuer, Saitenklampf, einer singt mit zerbrechlicher Stimme „The world is fucked and so I am“ und der Fieselschweif kräuselt sich. Auf Platte und Bühne hat dann allerdings das hohle Holz ausgedient und ein nahezu klassischer E- Gitarren-Sound ohne jede Grunge-Verzögerung wird bevorzugt. Auch die spinnerten Samples können den Gesamteindruck nicht stören: Das ist Punkrock, Mann, und Therapy? sind die beste Punkrockband dieses Planeten. Nicht, daß das wichtig wäre, nur diesmal passiert es so kraftvoll! Und damit erfüllen Therapy? für diese Spielzeit den alten Rock'n'Roll-Auftrag und schaffen zum wiederholt letzten Mal die Illusion, daß Rockmusik die Welt aus den Angeln heben könnte. Thomas Winkler

Morgen, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen