: An Menschenverachtung kaum noch zu überbieten
■ Gewaltsame Abschiebung eines Angolaners im dritten Versuch
George Hartwig ist übermüdet. Der Pressesprecher des Niedersächsischen Flüchtlingsrates hat in den vergangenen Tagen kaum geschlafen, hat rund um die Uhr versucht, Kontakt zu dem am vergangenen Freitag aus Vechta abgeschobenen angolanischen Asylbewerber Yoka da Silva zu bekommen. Erst am Montag gelang dies. Yoka, so Hartwig, habe sich telefonisch aus der Hauptstadt Luanda gemeldet. Nachdem Grenzbeamte ihn am Flughafen durchsucht und ihm sämtliches Bargeld abgenommen hätten, sei er vorübergehend bei Freunden untergekommen.
Mit der Ausweisung des 29jährigen Afrikaners hat eine Abschiebegeschichte ihr vorläufiges Ende gefunden, die nach Ansicht des Flüchtlingsrates an Menschenverachtung und Brutalität kaum noch zu überbieten ist. Nach der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrages wurde da Silva im September 1992 zunächst in der Justizvollzugsanstalt Meppen in Abschiebehaft genommen. Von dort wurde er am 1. März 1993 in das Gefängnis von Vechta verlegt. Nach einer – nach Augenzeugenberichten harmlosen – Rangelei mit Gefängnisbediensteten Ende vergangenen Jahres verurteilte das örtliche Amtsgericht da Silva wegen „Gefangenen- meuterei“ zu fünf weiteren Monaten Haft, womit der Asylbewerber auch über die gesetzliche Höchstdauer von anderthalb Jahren Abschiebehaft im Gefängnis blieb.
Obwohl in Niedersachsen bis zum September dieses Jahres ein befristeter Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Angola in Kraft war, wurde Yoka da Silva am 15. Juli von Polizeibeamten aus seiner Zelle geholt und zum Frankfurter Flughafen gebracht. Nach Interventionen des Flüchtlingsrates und von amnesty international, die glaubhaft machen konnten, daß der Flüchtling in seinem Heimatland als „exponiertes Ziel für die mörderische Verfolgungshysterie im angolanischen Bürgerkrieg“ angesehen werde, erklärte ein Oldenburger Verwaltungsrichter die Ausweisungsaktion in einem Eilverfahren für ungültig; in letzter Minute konnte da Silva aus dem startbereiten Flugzeug herausgeholt werden.
Nach Interventionen der Ausländerbehörde und einer Stellungnahme des Auswärtigen Amtes entschied eine andere Kammer desselben Oldenburger Gerichtes Mitte November, daß in Angola nun keine Bedrohung mehr für da Silva existiere. Unter dem Vorwand von Paßformalitäten wurde er am 21. November in die Ausländerbehörde in Vechta einbestellt, dort von der Kriminalpolizei in Handschellen gelegt und ohne Berücksichtigung einer anwaltlichen Beschwerde erneut nach Frankfurt zur Abschiebung transportiert. Wegen seiner verzweifelten Gegenwehr weigerte sich die Flugzeugbesatzung allerdings, ihn an Bord zu nehmen.
Am Nachmittag des 2. Dezember – so Recherchen des Flüchtlingsrates – drangen wiederum Polizisten in da Silvas Zelle ein, fesselten den sich Wehrenden und verfrachteten ihn in ein Polizeifahrzeug. Der Zeitpunkt der Aktion – Freitag nachmittag – war auch gegenüber sei- nem Anwalt und seiner Verlobten geheimgehalten worden.
Die jüngsten Geschehnisse kann der Flüchtlingsrat nur bruchstückhaft rekonstmieren. Yoka da Silva soll auf dem Flughafen heftig geschlagen und geknebelt worden sein, mehrere Beamte des Niedersächsischen Landeskriminalamtes sollen ihn in das Flugzeug begleitet haben. Stets in Begleitung von drei deutschen Polizisten soll da Silva dann über Lissabon nach Luanda geflogen worden sein.
Da Silvas Verlobte habe am Wochenende einen Nervenzusammenbruch erlitten, so Hartwig. Die Frau hätte noch vergangene Woche eine eidesstattliche Erklärung zur beabsichtigten Heirat abgegeben. Das Standesamt habe die Bestellung des Aufgebotes wegen einer vermuteten Scheinehe jedoch abgelehnt.
Reimar Paul (epd)
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