■ Herman Brood, Tequila etc.: Stehen 2 Musiker am Tresen...
Das kleine dürre Männchen mit der schwarzen Motorradlederjacke und dem knitterigen Trenchcoat darüber: Herman Brood. Ein bißchen wie ein Penner schwankte er vor dem Tresen, hielt sich abwechselnd mit einer Hand fest und stützte sich ab, je nachdem. Kippte Tequila, einen nach dem anderen, weißen Tequila, wobei er auf das ganze Brimborium verzichtete: kein Salz, keine Zitrone, kein Ritual; er schüttete sich die Dinger nur so rein und sah mich an, als sei ich gläsern, so ein Blick war das. Durch mich durch. Und ständig fiel ihm Kleingeld aus der Tasche.
*
– Ich mach' mir ein bißchen Sorgen um dich, sagte Herman, der wankende Holländer, während er durch mich hindurchsah ... wenn du Rock 'n' Roll-Sänger bist, ist das ganz schön gefährlich: mit dem Alkohol, den Drogen und dem ganzen Zeug ... diese ganze Rausgifte. Oh, meine Mutti macht sich auch immer solche Sorgen um mich...
Noch einen Tequila kippte sich Herman hinter die Binde, hielt sich am Tresen fest, schwankte, stützte sich ab, und weiteres Kleingeld fiel ihm aus der Tasche. Und er mache sich Sorgen um mich, sagte er, wegen diesem ganzen Zeug ... dabei trank ich nur Kaffee...
– Das ganze Zeug hab' ich längst aufgegeben, sagte ich ... vor mehr als zehn Jahren.
– Johnny Thunders, sagte Herman... Johnny Thunders hab' ich immer sehr bewundert...
*
Ich konnte mir Johnny Thunders vorstellen, Johnny Thunders, den ehemaligen Gitarristen der New York Dolls: klein und bleich und dürr ... wie er am Tresen steht, sich festhält, wie er sich einen nach dem anderen reinknallt, keinen klaren Gedanken mehr rauskriegt, ständig fällt ihm Kleingeld aus der Tasche, und aus einem Mundwinkel rinnt ein Sabberfaden.
Ich erzählte Herman die Geschichte, wie ich Ray Davies von den Kinks getroffen hatte; aber Herman konnte sich nur schlecht konzentrieren, konnte nicht zuhören. Und er starrte durch mich hindurch und kippte noch einen Tequila. Dann, ganz kurz, schien etwas zu klicken in Hermans Kopf...
*
– Ja, Ray Davies... Wir waren mit den Kinks auf Amerikatournee ... wir haben als Vorgruppe gespielt. Als ich Ray Davies zum ersten Mal traf, kam ich rein in diesen Garderobenraum und sagte: Hi Ray, I am Herman Brood, und er sagte: Of course you are...
Weil er sich schlecht konzentrieren konnte, wechselte Herman ständig das Thema. Nina Hagen. Rock 'n' Roll. Seine Frau in Holland. Sid Vicious. Seine Tochter. Jimi Hendrix. Satzfetzen. Bruchstücke. Und immer brach er ab, mittendrin, kippte noch einen Tequila, verlor etwas Kleingeld und fing etwas Neues an:
– Ständig diese Paranoia hier in Deutsland.
– Schmerzt Berlin immer noch? fragte ich.
– Berlin smerrrzt schon lange nicht mehr ... aber München smerrrzt...
Im Zug nach München hatten sie Herman verhaftet mit Heroin im Koffer, und er wurde erst mal eingebuchtet.
– ...und seitdem immer diese Paranoia in Deutsland. In Holland ist das viel besser mit die Rausgiften. Stell dir mal vor: da bringt jemand seine Mutter um, und er wird verhaftet, und sie fragen ihn: Warum hast du deine Mutti umgebracht? ... und der sagt: ich bin ein Junkie, ich brauche Heroin ... und die sagen: ja, das iss was anderes, und sie lassen ihn laufen.
Aber jetzt, sagte Herman, müsse er gehen, die Kneipe wechseln, woandershin:
– ...hier iss plötzlich so ein komisches Switzelucht...
*
Und ich fragte mich, wann ihm das Kleingeld ausgeht. Und was einer wie er schon anderes machen könnte als in einer Rock 'n' Roll-Band zu singen. Aber das kann er wirklich gut. H.P. Daniels
Herman Brood and His Wild Romance treten noch heute und morgen um 22 Uhr im Quasimodo auf, Kantstraße 12a, Charlottenburg.
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