Press-Schlag: „Cook-Inseln – ist das nicht interessant?“
■ Wegen internationalen Gemauschels ist DABV-Boß Kurt Maurath frustig
Just beginnen draußen die ersten Flocken leise zu rieseln, da gibt der Präsident drinnen, im Konferenzraum eines Berliner Hotels, zum Jahresende erste Ermüdungssignale. „Ich habe“, sagt Kurt Maurath, „ein bißchen genug.“ Was nicht verwundern muß: Die letzten Wochen führten den Boß des Deutschen Amateur-Box-Verbandes (DABV) zunächst zum Weltkongreß nach Peking und, kaum zurück, in die Türkei zum kontinentalen Treffen. Und weil im Mai in Berlin die Weltmeisterschaft ansteht, ist der 70jährige schnell mal aus dem heimischen Schwarzwald in die Hauptstadt gejettet, um auch dafür ein bißchen zu werben. Da könnte er nun fast zwei Stunden auf einem Stühlchen ausruhen, doch ist das andererseits auch nichts für ihn. Er braucht die Bewegung, zu langes Sitzen macht ihm zu schaffen.
Einiges macht ihm zu schaffen in diesem Jahr. Nicht der sportliche Tätigkeitsnachweis der DABV-Boxer, der ist gut wie selten zuvor – die Staffel, fast komplett aus der realsozialistischen Erbmasse übernommen, hat das Gütesiegel Weltklasse bei Militär-WM und Worldcup bestätigt. Mit den Boxern aus Kuba dürften die deutschen im Mai die Weltmeister ausschlagen.
Das freut den Funktionär. Was ihn nicht freut, ist, daß man auf der Funktionärsebene nicht recht mithalten kann. „Früher“, sagt Maurath und meint den westlichen Teil, „hat man uns mitleidig belächelt“, auch „die eine Medaille hie und da gegönnt“, überall war man gern gesehen. Heute nicht mehr. In Peking mußte der „arglos“ angereiste Präsident merken, daß andere kein gesteigertes Interesse an deutscher Mitwirkung in Gremien haben. Draußen vor der großen Stadt, im Fragrant Hill Hotel im Xiangshan Park, hat AIBA-Präsident Anwar Chowdhry die Muskeln spielen lassen, und schon war das deutsche Exekutivkomitee-Mitglied Heinz Birkle (Karlsruhe) keines mehr.
Der Pakistani (71), ist Maurath aufgefallen, „hat seine Bataillone gut im Griff“. Was das heißt? Die asiatischen Delegierten werden, hat der aufmerksame Mann beobachtet, „aufs Zimmer bestellt“. Wo ihnen dann gesagt wird, was zu tun und wählen ist. Also. Frauenboxen ja, weil die antragstellenden Amerikaner mit Gerichten drohen und Druck gemacht haben. Deutscher Einfluß nein, weil die Erfolge allenthalben mit Mißmut aufgenommen und gar „auf Einfluß in den Verbänden“ (Maurath) zurückgeführt werden. Natürlich, nirgendwo ist man anfälliger für Mauschelei, als dort, wo Punktrichter entscheiden.
Und andererseits und arglos: Warum sollen die Kleinen nicht auch in den Gremien repräsentiert sein? Da muß der freundliche Mann grinsen, ein bißchen die verschnupfte Nase hochziehen und in seinen Unterlagen wühlen. „Sehen Sie“, sagt er dann, „ein Komitee-Mitglied ist von den Cook-Inseln.“ Sechsmal Eiland, siebenmal Atoll im Pazifik: „Wissen Sie“ fragt Maurath und muß noch mehr grinsen, „daß da geboxt wird?“
Der pensionierte Schulrektor, immer unterwegs, um den eigenen Laden einigermaßen in Schwung und unter Kontrolle zu halten, hat, obschon alles andere als ein Anfänger, auf internationalem Mauschel-Niveau dazulernen müssen. Den Berliner Karl-Heinz Wehr (64) hat man als AIBA-Generalsekretär zwar bestätigt, immerhin, doch der, sagt Maurath, „macht dem Präsidenten auch die ganze Arbeit“. Während jener wiederum seine Macht sichert. Und jene der asiatischen Boxwelt, die nun sportlich-betrachtet nicht gerade identisch mit der Weltspitze ist. Warum der das macht? „Macht“, sagt Maurath weise, aber gar nicht schulmeisterlich, „braucht keinen Sinn.“ Die nämlich „ist sich selbst genug“.
Weil in Antalya kurz darauf zwar die Europäer unter sich waren, doch es wenig besser und anders zuging, ist Kurt Maurath „mehr als unzufrieden“ in sein Dittishausen zurückgekehrt. Nur um umgehend hart daran zu arbeiten, den undankbaren Burschen zum Dank nun eine bestmögliche WM auszurichten. „Ich habe mir allerdings erlaubt, darauf hinzuweisen“, sagt er und rutscht schon ganz unruhig auf seinem Stühlchen rum, „daß diese Aktionen im WM- Vorfeld nicht gerade glücklich sind.“ Bevor er neuen Abenteuern entgegeneilt, blickt er ein letztes Mal auf seine Liste. „Die Cook-Inseln“, sagt er dann, „ist das nicht interessant?“ Peter Unfried
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen