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Sakrales Mahnmal

■ "Die Rote Rose - Liane Berkowitz": Videoinstallation von Brigitte Niklas im Körnerpark zum Thema der Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack

Aus dem Blickwinkel der fanatisierten Weltsicht zählt das Individuum nichts. Die 19jährige Liane Berkowitz traf die NS-Gesetzgebung mit ihrer ganzen Härte. Im Kriegsjahr 1943 wurde sie als „Vaterlandsverräterin“ angeklagt und zusammen mit 15 Mithäftlingen in Plötzensee hingerichtet. Im Herbst 1942 war von der Gestapo im besetzten Amsterdam eine Funkstation von holländischen WiderstandskämpferInnen ausgehoben worden. Da diese Gruppe mit der Berliner Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen und Mildred Harnack in Verbindung stand, geriet auch Berkowitz in die Hände der NS-Justiz. Ein Gnadengesuch blieb erfolglos, Hitler selbst unterzeichnete die Ablehnung. Denn Liane Berkowitz war im dritten Monat schwanger. Im Frauengefängnis brachte sie ihr Kind zur Welt – die Tochter Irina starb später unter ungeklärten Umständen. Berkowitz' Mutter wurde vom Roten Kreuz ein Rechnung über 40 Reichsmark Entbindungskosten zugestellt.

Galerie im Körnerpark, Neukölln: Rotes Licht fällt durch die Fenster des Pavillons. An der Stirnseite das sanfte Gesicht einer jungen Frau, das via Projektion in Intervallen aufscheint und verschwindet. Eine zweite Projektion läuft über die Querseite der Galerie. Eine Textfolge von Vernehmungsprotokollen, Briefen aus der Haft, Vollzugsberichten. Plexiglassäulen säumen den Raum, so daß sich beide Projektionen in deren Flächen überlagern und spiegeln. Die Installation „Die Rote Rose – Liane Berkowitz“ von Brigitte Niklas gestaltet das klassische Kreuzgewölbe der Galerie zu einem Gedenkort mit bewußt sakralem Charakter.

taz: Wie war das politische Umfeld von Liane Berkowitz?

Brigitte Niklas: Der Widerstand im „Dritten Reich“ war ja keine homogene politische Organisation, sondern bestand aus einzelnen Gruppen, die punktuell zusammenarbeiteten. Was sie verband, war das Bestreben, die weitere Kriegführung zu vereiteln. Das galt auch für Harro Schulze- Boysen, der selbst Militärangehöriger war, angestellt im Verteidigungsministerium und seine Position nutzte, um an militärische Informationen zu gelangen und diese ins Ausland, an die Kriegsgegner England und Rußland weiterzugegeben. Von den Nazis wurden sie als „Vaterlandsverräter“ diffamiert. Daß sie mit Rußland verhandelt haben, mit dem russischen Geheimdienst, war natürlich unverzeihlich. Sie wurden als Kommunisten gebrandmarkt.

Wie war die persönliche Situation von Liane Berkowitz zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung?

Sie besuchte die Abendschule und war das, was man ein unpolitisches Mädchen nennt. Dort lernte sie auch ihren Freund Rehmer kennen, durch den angeregt sie die Flugblattaktion machte, bei der sie verhaftet wurde. Der Anlaß war die Nazi-Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“. Harnack selbst hat sie und Otto Gollnow dabei beschützt, stand sozusagen Schmiere, bewaffnet und in voller NS-Uniform.

Zum Ort der Installation und dem sakralen Charakter der Arbeit. Die Texte sind kaum lesbar, also eher stellvertretend gedacht, um auf didaktisch-dokumentarische Aussagen zu verzichten?

Der meditative Aspekt prägt meine ganze bisherige Arbeit, ich möchte nicht plakativ sein. Auf Liane Berkowitz bin ich durch den Ideen-Wettbewerb „Mahnen und Gedenken im Bayrischen Viertel“ vom Bezirksamt Schöneberg aufmerksam geworden. Ihre Mutter wohnte am Viktoria-Luise-Platz.

Die von mir benutzte Videoumsetzung führt als Kunstform ja immer noch eine Randexistenz. Mir war sehr an einer räumlichen Wirkung gelegen. Deshalb die Spiegelungen in den Plexiglassäulen. Außerdem erzeugt diese Art der Präsentation eine Irritation, die Leute versuchen zuerst immer, die Texte zu lesen. Die pure Information kann aber nicht Sinn des Gedenkens sein. Es geht eher um das Sehen im übertragenen Sinn.

Ist der Titel „Die Rote Rose“ eine Anspielung auf die Münchner Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ und die Berliner „Rote Kapelle“?

Damit möchte ich eine Parallele ziehen. Denn es ist ein Ärgernis, daß die Gruppe um Schulze-Boysen/Harnack in der Forschung und Öffentlichkeit vernachlässigt wurde, jedenfalls in der BRD. Der Name „Rote Kapelle“ ist eine Bezeichnug der Nazis, die die ihnen zugeschriebene politische Richtung, sprich: kommunistisch, impliziert. In der DDR gab es einen Film darüber, aber im Westen war Kommunismus oder Kommunismusnähe ja ein Reizwort. Eine politische Doppelmoral, die sich bis in die Faschismusanalyse und die deutsche Vergangenheitsbewältigung fortgesetzt hat. Diese Einseitigkeit zu erkennen, dazu soll meine Arbeit beitragen. Text und Interview: Gudrun Holz

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