: Vorschlag
■ Burgen, Kreuze, Schwänze – „The Castle“ – eine Parabel
Sieben Jahre waren die Männer unterwegs, um Jerusalem zu befreien. Ihre Frauen haben in der Zwischenzeit sich selbst befreit. „Zuerst war da der Verwalter, und wir haben den Verwalter gestürzt. Und dann war da Gott, und wir haben Gott gestürzt. Und dann war da noch der Schwanz, und den haben wir auch gestürzt.“ Die heimgekehrten Kreuzfahrer aber roden das Unkraut aus der Kirche und beginnen den Bau einer gewaltigen Zwingburg. Immer mächtiger wirft die Burg ihren Schatten über die Liebesqualen und die Grausamkeiten ihrer Erbauer.
Männerherrschaft, weibliche Anarchie Foto: Thomas Aurin
Howard Barkers „The Castle“ ist eine Parabel über männliche Herrschaft und weibliche Anarchie. Und doch läßt sich keine einzige Figur einfach auf den Nenner ihres Geschlechtes bringen. Ritter Stucley (James Clyde) ist ein jähzorniger Tyrann mit dem Herzen eines Kindes, krank vor Liebe zu seiner Frau Ann. Seinem genialen Ingenieur Krak (Sean Baker) verwandeln sich erst die erlittenen Kriegsgreuel zu den Bauplänen der Burg, die den Krieg magisch anzieht. Die heftigste Feindin der beiden, die Hexe Skinner (Jeannie Stoller), liebt Ann nicht weniger schmerzlich als Stucley, und auch sie lernt in der Folter, zu hassen und zu töten. Im Zentrum dieses Dreiecks steht die schweigsame Ann (Rebecca Charles), seltsam unberührbar in ihrer Sanftheit und Schwäche und doch so stark, daß ihre Verzweiflung die Burg zum Wanken bringt und die anderen mit in die Katastrophe reißt.
In all seiner düsteren Bedrohlichkeit hat das Stück auch viel Komik. Immer absurdere Religionen werden gestiftet, aus der „Kirche von Christus dem Liebhaber“ wird die „Heilige Gemeinde des weisen Schoßes“. In Kenny Irelands Inszenierung werden die komischen Nebenrollen – der anpäßleriche Pfarrer, die mannstolle Bäuerin, der zartbesaitete Baumeister – besonders lustvoll ausgespielt. Skinner und Stucley zeigen in ihrer Raserei immer auch eine komisch-resignierte Selbstironie.
Obszönitäten vermischen sich bei Barker mit einer ungeheuer bildkräftigen Sprache. „Alter Arschficker!“ flucht Stucley und sagt wenige Zeilen später: „Was in mir weich war, hat sich zu einer giftigen Lache verdünnt.“ Auch Richard Aylwins Bühne schwelgt in prächtigen Bildern, die die Aussage des Stücks allerdings oft nur verdoppeln. Kraks Silhouette schiebt sich vor den roten Mond über dem Frauenreich. Und bald darauf verdeckt „The Castle“ das letzte Stückchen Himmel. Miriam Hoffmeyer
In englischer Sprache mit deutscher Übertitelung. Noch heute um 20 Uhr im Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg.
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