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"Momper hatte mal seine Chance"

■ "Rot-Grün - ein Auslaufmodell?": Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) über Walter Momper, die bitteren Erfahrungen in der rot-grünen Koalition und die grünen Essentials für ein neues...

Anwalt Hans-Christian Ströbele ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter und einer der Architekten der rot-grünen Koalition von 1989.

taz: „Rot-Grün ist ein Auslaufmodell“, sagte Walter Momper am Ende der rot-grünen Koalition. Heute abend diskutieren Sie mit dem SPD-Kandidaten Momper darüber. Wäre Momper der ideale Partner für eine neue Koalition?

Hans-Christian Ströbele: Der ist eher das Gegenteil. Er hatte mal seine Chance, eine rot-grüne Koalition zum Erfolg zu führen. Er hat daraus eine Personality-Show gemacht. Sicherlich ist die Koalition nicht nur an Momper gescheitert. Sie ist auch gescheitert, weil sie nicht für die neuen Aufgaben nach dem Mauerfall gestrickt war.

Sie scheiterte auch an den Grünen.

Sicherlich auch. Aber maßgeblich war der Führungsstil von Momper, der damals von der Presse nicht umsonst als „König“ tituliert wurde. Da war nichts mehr mit Teamarbeit und Zusammenarbeit, da hatten die Grünen im Senat überhaupt nichts zu sagen.

Menschen ändern sich.

Es ist ja keine Jugendsünde von Momper gewesen. Wenn ich betrachte, was Momper im Augenblick veranstaltet, dann ist das nicht weit von der damaligen Personality-Show entfernt. Ich gestehe jedem Menschen Veränderung zu, aber die Signale, die er jetzt aussendet, sprechen eher dagegen. Auch inhaltlich sehe ich keine Vorschläge, was er anders machen will. Ich habe den Eindruck, Momper möchte eigentlich nur statt Diepgen Regierender Bürgermeister einer Großen Koalition sein.

Damals sind die Grünen auch an eigenen Illusionen gescheitert.

Natürlich haben wir seitdem vieles gelernt. Ich hoffe nicht, daß die Grünen jetzt pflegeleichter sind, wie Momper meint. Wir haben gelernt, daß man nur dann in eine rot-grüne Koalition gehen kann, wenn man sich einige wenige konkrete Projekte vornimmt und nicht meint, man kann nun die gesamte Politik des Senats nach grünen Vorstellungen gestalten.

Derzeit sind Bündnis 90/Die Grünen weit entfernt vom Wahlkampf.

Es ist eine richtige Kritik, daß sich die Grünen im Augenblick noch zu sehr mit Formalien beschäftigen und zu wenig mit ihren inhaltlichen Alternativen rauskommen. Eine Landesdelegiertenkonferenz darüber zu machen, wie ein Rotationsparagraph auszulegen ist, das halte ich für das falsche Signal. Im Grundsatz ist eine Rotation aber richtig.

Was muß anders werden?

Die Große Koalition ist mit ihren großen Vorhaben durchweg gescheitert. Das gilt für Olympia, für die Verwaltungsreform, aber auch für Großflughafen und Länderfusion. Darüber bin ich nicht unfroh, denn das waren fast alles falsche Ziele. Die zentrale Kritik ist, daß die Große Koalition einfach konzeptionslos hinwirtschaftet. Sie haben die Chance vergeben, mit ihrer großen Mehrheit einen Plan für die Hauptstadt zu entwerfen und umzusetzen. Keiner weiß eigentlich, wie die Metropole nach Meinung der Großen Koalition aussehen soll.

Eine Verwaltungsreform, die demokratieverträglich und dienstleistungsorientiert ist, wäre dringend notwendig. Auch eine Länderfusion ist anstrebenswert.

Wir sind nicht gegen eine Verwaltungsreform. Aber dazu gehört, daß man den Bezirken mehr Kompetenzen gibt und das politische Bezirksamt schafft. Nichts davon ist geschehen. Jede kleine Gemeinde in Brandenburg oder Bayern hat mehr Rechte als hier die Bezirke. Statt dessen will man noch größere Bezirkseinheiten schaffen und die Verwaltung noch bürgerferner organisieren.

Wie sieht die andere Metropole aus, die Sie der SPD als Verhandlungsgrundlage für eine Koalition vorlegen möchten?

Berlin braucht nicht weniger Universitäten, sondern mehr Lehre und Ausbildung. Mit diesem Standortvorteil können wir der Industrie Angebote machen und der Bevölkerung Beschäftigung und Ausbildungsmöglichkeiten bieten. Berlin wird nur ein attraktiver Standort, wenn diese Ressourcen an Intelligenz und Entwicklung genutzt werden. Das gilt auch für den kulturellen Bereich: da muß nicht gekürzt werden, da muß ausgebaut werden. Eine gute Premiere bringt mehr als ein paar Millionen Mark für allgemeine Touristenwerbung. Wir wollen eine liberale, weltoffene Metropole. Nicht weltoffen für den Geschäftsmann aus Japan oder Südkorea, sondern in erster Linie weltoffen für die Einwanderer und Flüchtlinge, die wir hier haben. Liberalität heißt auch eine andere Drogenpolitik. Auch im Baubereich sieht unsere Metropole anders aus. Zum Maßstab menschlichen Bauens gehört die Berliner Traufhöhe. Berlin braucht grundsätzlich keine Hochhäuser. Die wenigen Ausnahmen müssen in eine alternative Gesamtkonzeption für ein zukünftiges Berlin eingebunden sein. Die Gigantomanie am Potsdamer Platz und Alex ist einfach falsch.

In der Friedrichstraße haben wir die Traufhöhe.

Das ist keine Metropole, wie wir sie uns vorstellen. Die Berliner Mitte ist kein Quartier zum Leben und Einkaufen, sondern nur noch ein Quartier zum Arbeiten und Geschäftemachen. Wenn gebaut wird, dann kleinteilig. Riesenprojekte lehnen wir ab. Gegen Mercedes oder Sony hat Berlin immer schlechte Karten. Diese Konzerne stellen Bedingungen, die Berlin einfach nur noch erfüllen kann.

Berlin ist pleite. Eine andere Metropole kostet Geld.

Für den Zentralbahnhof, für den Tiergartentunnel, das Kanzleramt und den Reichstagsumbau werden fünfzehn Milliarden Mark ausgegeben. Eine Metropole der Bescheidenheit kann dieses Geld auch anders ausgeben.

Grüne und SPD alleine werden keine neuen Mehrheiten schaffen.

Die SPD hat einen Ausschlußbeschluß gegenüber der PDS gefaßt. Davon halte ich überhaupt nichts. Aber man soll sich darüber nicht die Köpfe heiß reden und ganze Parteitage darüber veranstalten, bevor man weiß, wie die WählerInnen entscheiden und welche Personen im Parlament sitzen. Man kann sich vorher Gedanken machen, aber Entscheidungen fällen sollte man, wenn die Situation da ist. Ich halte nichts davon, irgend etwas auszuschließen, aber ich halte eine Regierungszusammenarbeit mit der PDS für sehr, sehr unwahrscheinlich.

Damit ist Rot-Grün gestorben.

So ganz ausgeschlossen ist es nicht. Ein Faktor wird sein, ob die FDP rausfliegt. Und was die SPD angeht: Gerade Momper glaubt doch kein Mensch, wenn er heute sagt, er werde sich mit der PDS in keinem Fall einlassen. 1989 hat er das am Wahlabend auch gesagt, und drei Stunden später wurde schon über Rot-Grün verhandelt. Ich werde mich jedenfalls bei den Grünen dafür einsetzen, die PDS- Frage offenzuhalten.

Hätten die Grünen lieber Ingrid Stahmer als Partnerin?

Das ist mit beiden problematisch. Ingrid Stahmer ist in diesen Senat eingebunden, und ich habe bislang von ihr nichts gehört, wie eine andere Politik aussehen könnte. Ich habe die Befürchtung, daß an anderen Konzeptionen sehr wenig da ist. Es scheint aber, daß Frau Stahmer für Teamarbeit eher geeignet ist als Walter Momper.

...und wenn die SPD Momper kürt?

Das müssen sich die SPD-Genossen genau überlegen. Die mit der Bürokratie verfilzte Berliner SPD ist eh so gestrickt, daß eine Koalition schwieriger ist als in anderen Bundesländern. Es gibt aber auch SPD-Leute, die hoffen, daß Rot-Grün die politische Lähmung beendet, weil anders die notwendigen Reformen nicht gemacht werden können. Mit Momper müßte man jedenfalls eine Koalition ganz anders als 1989 konstruieren. Die damaligen Erfahrungen werden wir nicht vergessen. Interview: Gerd Nowakowski

„Rot-Grün – ein Auslaufmodell?“, Diskussion mit Renate Künast, Thomas Krüger, Momper und Ströbele, Urania, heute 17.30 Uhr

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