: „Ich kriege Rücken gesund“
■ Charlotte Hagena, Kinderärztin, 86, behandelt „Mondtypen“ und „Sonnentypen“
Was ist los mit Boris Becker? Charlotte Hagena weiß Bescheid: „Er läuft mit gesenktem Kopf über den Platz. Er schwächt sich.“ Und Steffi? „Sie hat viele Jahre mit dem falschen, dem rechten Arm gespielt. Plötzlich ist Schluß. Sie schafft das nie wieder.“ Woher weiß Charlotte Hagena, was unsere Tennisasse falsch machen? Sie kennt deren Geburtstage. Und daraus errechnet sie, ob sie ein „Sonnentyp“ oder ein „Mondtyp“ sind. Ein Mondtyp aber läßt den Kopf nicht hängen, genauso wie ein Sonnentyp grundsätzlich und eigentlich Linkshänder ist.
Charlotte Hagena ist 86 Jahre alt, Kinderärztin, wohnhaft in der Nähe von Lilienthal. Sie ist eine Lehrerin. Ihre Lehre: Die Menschheit zerfält in zwei Typen, den lunaren und den solaren. Was man ist, hat sich im Augenblick der Geburt entschieden. Überwiegt am Tag der Geburt der Sonneneinfluß, wird man Sonnentyp - und umgekehrt. Glaubt man an eine energetische Wirkung der Himmelskörper auf den Menschen, kann man rechnerisch Tabellen erstellen, in denen jeder seinen Typ ablesen kann. „Reines Erfahrungswissen,“ sagt Frau Hagena, „Naturerkenntnis.“
Ihr selbst bebegnete diese Typologie in einem Sanatorium, wo sie sehr krank daniederlag und auf wundersame Weise Heilung fand. Im Laufe von dreißig Jahren, in denen sie sich mit der Typenlehre eines Erich Wilk beschäftigte, entwickelte sie sehr klare Vorstellungen davon, wie Mond- und Sonnentypen leben sollten. Kurz gefaßt: sehr unterschiedlich.
Der Sonnenmensch ist ein Augenmensch, liebt rhytmische Musik, redet langsam, sitzt gern am Schreibtisch, schläft am besten auf dem Bauch, ißt lieber wenig und öfter. Ihm bekommen Kaffee, Zucker, Pflanzenöl, helles Brot, Magerquark. Der Mondmensch ist der intellektuellere, er hört gern, besonders polyphone Musik, er ist schnell, sollte auf dem Rücken schlafen und viel tierisches Fett essen. Dazu Kartoffeln, Sauerteigbrot, Käse, Butter.
Professor Otmar Preuß, Bremer Soziologe, hatte lange Zeit unverbesserliche Rückenschmerzen. Dann erhielt er einen Hinweis auf Frau Hagena. Er lernte seinen Typ kennen, turnte unter Anleitung und schwupps – waren die Schmerzen weg. „Bis heute habe ich keine Probleme mit dem Körper,“ freut er sich; inzwischen ist er ausgebildeter Hagena-Schüler und unterrichtet selbst. Jetzt weiß er auch, warum es ihn nie am Schreibtisch hielt: Er ist Mondtyp!
Zahlreich sind die Fallbeschreibungen geglückter Heilungen. Zurückgeblieben Schulkinder, die nach wenigen Therapiestunden aufblühen. Drei Unternehmer mit unheibar scheinenden Bandscheibenschäden, in kürzester Zeit wiederhergestellt („Ich kann Ihnen sagen, ich krieg jeden Rücken gesund!“). Selbst bei der Berufsfindung hat sie Tips Unfug, wenn der lunare Typ Gewerberecht studiert – Strafrecht, das ist sein Ding! Und warum verstehen sich manche Eheleute, die anderen nicht? Typengleiche haben's leichter!
Wer sich in ihre Hand begibt, lernt atmen, „typgerecht“ essen und Übungen, die er täglich 15 Minuten am Morgen wiederholt. „Vom Fuß bis zum Kopf werden alle Gelenke warm. Der Stoffwechsel wird angeregt. Nach drei Wochen erkennt man sich nicht wieder.“ An ihr selber könne man sehen, wie ihre Methode wirkt. Die 86-jährige spielt Golf, ist neulich erstmals geritten, kann in Seminaren stundenlang reden und sich dabei noch auf das Elend Hilfesuchender einlassen.
Die Hagena-Methode funktioniert immer dann, wenn irgendwo Allgemeingültiges für alle Menschen erdacht wird. Kein Medikament wirkt auf jeden gleich, keine Babynahrung stimmt für alle Babys, und die gerade gültige Devise „Kleinkinder sollen auf dem Rücken liegen“ betrifft nicht alle. Bei Charlotte Hagena treffen sich die, auf die das Gesundheitssystem nicht zugeschnitten ist.
Nicht nur bei ihr. Ein große Zahl von Anhängern hat Dr.Hagena mit der Zeit um sich geschart. Mehrere Schüler „mit Zertifikat“ wenden ihre Methode an, ein Freundeskreis will einen Verein gründen. Bisher haben allerdings Behörden oder Gerichte die „Gemeinnützigkeit“ des Vereins nicht einsehen wollen. Das erzürnt die alte Dame: „Die müßten mal Rückenschmerzen haben!“ Burkhard Straßmann
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