: Vorschlag
■ Frauen an die Gitarren: Veruca Salt im Loft
Mit den amerikanischen Veruca Salt kann man sich gleich von zwei Polen aus dem erschöpfenden Namendroppen hingeben. Zum einen kommt diese Band aus Chicago, der Stadt, die seit geraumer Zeit in den Staaten als das blühendste Zentrum für alternativen College-Rock-Kram gilt: Die Smashing Pumpkins, Liz Phair oder Urge Overkill sind nur die bekanntesten Acts von dort; Bands, die es „geschafft“ haben, die Platten verkaufen, Kohle machen, Idole sind etc. Zu solchen Szene- und Legendenbildungen gehört in der Regel auch ein gewichtiger Produzent, einer, der dem City-Sound seinen Namen, seine Bestimmung und zusätzliche Identität gibt: In diesem Fall ist das Brad Wood, der überall seine technischen Finger reinsteckt, besonders für die alternative Neo-Mainstream-Sauce ein Faible hat, aber auch für Erneuerer wie Tortoise (natürlich ebenfalls straight outtas Chicago). Dieser Mann hat sich nun der saisonalen Aufsteiger von Veruca Salt angenommen, deren Kleinsthit „Seether“ in leidlich MTV-kompatible Bahnen gelenkt und ihnen, wie man munkelt, einen überaus lukrativen Deal mit Geffen verschafft.
Der andere Pol sind die musikalischen Vorlieben und bandkonstituierenden Parallelen von Veruca Salt. Denn ob man nun will oder nicht: Die Pixies grüßen und winken heftig herüber! Wehmütig tauchen sie als Verweis in Veruca-Salt-Songs auf, oft kopiert und doch sehr müde: Auf „American Thighs“, so heißt das VS-Debut, fehlen gemeinerweise die beliebten überraschenden Momente und Spannungsbögen, die die Songs auseinanderreißen und dann wieder systematisieren – das, was die Pixies ungefähr zweieinhalb Platten lang so aufregend gemacht hat. Und wenn ich schon mal dabei bin: Die Breeders, Throwing Muses und Belly, Sideprojects der Pixies-Damen, winken natürlich freundlich mit, nicht zuletzt, weil zwei Frauen Veruca Salt gegründet haben und die Töne angeben.
Wer nun immer noch nicht weiß, was da für Musik bei rumkommt: zwei fixe Gitarren, ein trocken-statischer Bass und ein staubiges Schlagzeug machen mitsamt den gängigen kleinen Mitsumm-Melodien viele zwanzigundnochwas alte Herzen froh. Hier werden keine Sentimentalitätsschlachten ausgefochten, keine sakralen Trauergesänge angehoben, sondern nur ein bißchen die Grundlosigkeit des Daseins (typische Generationsproblematik) und die Reflexion desselben besungen: When I was 15, when I was 20, ... and now I'm 25, huhuhuhuhu (typischer Fall von vorzeitiger Altersweisheit). So geht das und ist letztlich tausendmal sympathischer als siebzehnjährige Bengels aus Zehlendorf, die „Forever Young“ vertechnopoppen. Gerrit Bartels
Morgen um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz 5.
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