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Willy Brandt in der Märkischen Heide

Alle reden von Sperenberg, aber die Flughafen Holding wird am Mittwoch die Entscheidung zum Großflughafen vermutlich erneut verschieben / Ist Schönefeld „attraktivster Standort“?  ■ Von Hannes Koch

Vor der Aufsichtsratssitzung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding am kommenden Mittwoch ziehen die Freunde des Großflughafens alle Register. Kein Tag vergeht, ohne daß sich nicht eine wichtige Organisation dafür ausspricht, den neuen Berliner Flughafen für das nächste Jahrtausend tief in Brandenburg, 46 Kilometer südlich der Hauptstadt, zu bauen. Argumentationshilfe liefert die Holding, die auf der Basis mehrerer, teils widersprüchlicher Gutachten das Dorf Sperenberg zum geeigneten Standort erklärt.

Die Gemengelage der Politikerinteressen klärt sich zunehmend: Im brandenburgischen Landtag haben sich CDU und SPD auf Sperenberg geeignet, gegen die konkurrierenden Plätze Schönefeld und Jüterbog. Auch den Namen wissen sie schon: „Willy-Brandt- Airport“. Die Berliner SPD tat es während ihrer Klausurtagung am Wochenende den Potsdamer Kollegen gleich. Mit starker Stimme sprachen der DGB und die ÖTV beider Bundesländer: Sperenberg soll es sein. Beachtung fand ein Unternehmergremium, der CDU- Wirtschaftsrat, mit dem gleichlautenden Plädoyer. Dies ist wichtig, weil die Befürworter eines Großflughafens Schönefeld besonders in den höheren Riegen der CDU sitzen, unter ihnen der Regierende Bürgermeister Diepgen. Aus seinem Umfeld wird jetzt berichtet, daß sich die Meinung in Richtung Sperenberg verschiebt.

Aber Berlins ÖTV-Chef Kurt Lange, zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen Holding, weiß, wo ein noch nicht ausgeräumtes Problem lauert: „Der Bund muß mit ins Boot.“ Die Gesellschafter der Holding – Berlin, Brandenburg und die Bundesregierung – müssen sich auf einen Standort einigen, wollen sie die gegenseitige Blockade vermeiden. Doch Staatssekretär Wilhelm Knittel, vom Bundesverkehrsministerium entsandter Aufsichtsrat, zaudert noch. So wird es vermutlich nicht am Mittwoch, sondern erst im März oder April zu einer Entscheidung kommen. Die Bonner Bedenken dürften neue Nahrung erhalten durch ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit der drei Standorte, das am kommenden Mittwoch im Aufsichtsrat diskutiert werden wird.

Entgegen der von Sperenberg- Freunden kolportierten Interpretation heißt es in der Untersuchung des Gutachterbüros Barclay De Zoete Wedd nämlich: Nach der Gesamtbewertung sei „Schönefeld Nord/Süd der attraktivste Standort“. Barclay hat errechnet, daß ein kombinierter Flugplatz aus den heutigen Anlagen in Schönefeld und zusätzlichen Rollfeldern südlich davon (Integrationslösung) mit rund 1,8 Milliarden Mark die geringsten Kosten für die öffentlichen Haushalte verursacht. Sperenberg würde dagegen bei der Eröffnung im Jahr 2004 mit 3,3 Milliarden Gesamtbelastung zu Buche schlagen, bei der Eröffnung 2010 immerhin noch mit 2,4 Milliarden. Im Hintergrund stehen hier die für Schönefeld wesentlich geringeren Kosten für die Verkehrsanbindung mit Straßen und Schienen.

Doch die Wirtschafts- und Finanzuntersuchung enthält auch Vorteile für Sperenberg. Das Gutachterbüro Arthur D. Little kommt zu dem Ergebnis, daß es für die Gesellschaft aus betriebswirtschaftlicher Sicht vorteilhafter ist, im Jahr 2010 einen Airport in Sperenberg oder Jüterbog zu eröffnen. Diese Varianten liegen in den schwarzen Zahlen, das Unternehmen hat Aussicht auf Gewinne. Schönefeld dagegen droht mit roten Zahlen. Ursache dafür sind die von der Flughafen Holding zu tragenden Kosten für den Lärmschutz der AnwohnerInnen, Umsiedlungen von Dörfern sowie höhere Grundstückspreise.

Um sich im Zwiespalt zwischen staatlichem und eigenem Geldbeutel schließlich für letzteren entscheiden zu können, verwendet die Holding noch weitere Argumente. Weil Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck den Airport Schönefeld im Raumordnungsverfahren ablehnte, werfe der Flughafen dort erhebliche rechtliche Probleme auf. AnwohnerInnen könnten sich bei ihren Klagen vor Gericht auf den Raumordnungsbeschluß berufen, den Bau verzögern und große Verfahrenskosten verursachen. Bei Sperenberg und Jüterbog drohe hingegen kein juristisches Unheil, außerdem erwartet die Holding dort weniger Widerstand aus der Bevölkerung.

Ebenso wie bei der Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit kommt die Flughafen-Gesellschaft beim Thema „24-Stunden-Betrieb“ ins Trudeln. Die Möglichkeit, in Sperenberg rund um die Uhr zu landen und zu starten, gilt gemeinhin als starkes Argument gegen Schönefeld, wo mit Rücksicht auf die AnwohnerInnen ein begrenztes Nachtflugverbot herrscht. Wiederum daber untergräbt das Gutachterbüro Barclay diese Position. Der 24-Stunden- Betrieb sei von „geringer Bedeutung“, kaum eine Fluggesellschaft entscheide sich wegen der Nachtflugbegrenzung gegen den Großflughafen.

Doch trotz der Widersprüche zwischen Teilen der Gutachten und dem Votum der Flughafen Holding für Sperenberg, trotz des Zeitdrucks, unter dem die komplizierten Berechnungen in nur zwei Monaten entstanden, und vieler Zahlen, die den Gutachtern fehlten, ist der Bau des Airports in der Märkischen Heide mit der jetzt vorliegenden Untersuchung ein beträchtliches Stück näher gerückt.

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