Richter Orlet nicht zu fassen

■ Baden-Württembergs Justizminister Thomas Schäuble verzichtet auf ein Disziplinarverfahren

Karlsruhe (taz) – Das baden-württembergische Justizministerium will nicht disziplinarisch gegen den Mannheimer Skandalrichter Rainer Orlet vorgehen. Das erklärte Justizminister Thomas Schäuble gestern im Landtag beim zweiten Parteienspitzengespräch in Sachen Orlet. Am Mittwoch hatten die Fraktionsspitzen von SPD, CDU, Bündnisgrünen und FDP einen entsprechenden „Prüfauftrag“ erteilt. Orlet hatte im August als Verfasser eines Urteils des Mannheimer Landgerichts das Engagement des NPD-Vorsitzenden Deckert gegen „jüdische Ansprüche aus dem Holocaust“ grundsätzlich positiv bewertet.

Wegen der richterlichen Unabhängigkeit sei Gegenstand des Verfahrens nicht das Urteil des Mannheimer Landgerichts gewesen, sondern spätere Presseäußerungen von Orlet, erläuterte Schäubles Pressesprecher.

Die Abgeordnete Birgit Bender von den Bündnisgrünen zeigte sich enttäuscht: „Wenn Orlet via Presse einem bekannten Rechtsradikalen die Freundschaft anbietet, dient das wohl nicht der rechtlichen Erläuterung seines Urteils.“ Gegenüber der Süddeutschen Zeitung hatte Orlet unter anderem gesagt, er könne sich gut vorstellen, mit Deckert privat befreundet zu sein.

SPD-Sprecher Ralf Lange hofft, daß der öffentliche Druck Schäuble noch umstimmen wird. Ein Disziplinarverfahren gegen einen Richter kann nur der Justizminister als Dienstherr oder der Betroffene (Orlet) selbst einleiten. Die Entscheidung liegt dann bei einem Richterdienstgericht, also wieder in Händen der „Dritten Gewalt“. Ein Verweis, Gehaltskürzungen oder sogar die Entfernung aus dem Dienst sind als Disziplinarmaßnahmen möglich. Christian Rath