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Späte Normalität in Irland

■ Ausnahmezustand nach 55 Jahren aufgehoben – Druck auf London

Dublin (taz) – Das irische Parlament hat am Dienstag abend beschlossen, den seit mehr als 55 Jahren bestehenden Ausnahmezustand aufzuheben. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verhängt, war der Ausnahmezustand 1976 ausdrücklich erneuert worden, nachdem der britische Botschafter Christopher Ewart-Biggs in Dublin durch einen Bombenanschlag der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) getötet worden war.

Mit der Rückkehr zum „Normalzustand“ will man ein wenig Druck auf die britische Regierung ausüben, damit sie die nordirischen Notstandsgesetze im Zuge des Friedensprozesses möglichst bald aufhebt. Konkrete Auswirkungen hat der Schritt des Dubliner Parlaments allerdings nicht, denn die eigenen Notstandsgesetze, die ebenso drakonisch sind wie das britische Pendant, bleiben unangetastet. Sie sind im „Gesetz für Verbrechen gegen den Staat“ festgeschrieben, das die irische Regierung ebenfalls zu Kriegsbeginn 1939 verabschiedet hat. Das Gesetz stattet die Sicherheitskräfte mit weitreichenden Vollmachten aus – vorgesehen sind darin unter anderem Internierungen ohne Anklage, Militär- und Sondergerichte ohne Geschworene, Medienzensur und Organisationsverbote. Darüber hinaus darf die Polizei willkürlich Hausdurchsuchungen oder Verhaftungen vornehmen und Verdächtige bis zu sieben Tagen festhalten.

Nach dem IRA-Waffenstillstand im vergangenen Herbst hatte der irische Außenminister und Labour-Chef Dick Spring angekündigt, die Sondergesetze zu überprüfen und zumindest teilweise abzuschaffen – bis die Polizeiführung ihn ins Gebet nahm und er seine Meinung gründlich änderte. Die Polizei argumentiert, daß die Sondervollmachten und die Schnellgerichte ohne Geschworene unerläßlich seien, um „Drogenepidemie und bewaffnete Verbrechen“ einzudämmen. Davon war 1939, als das Gesetz verabschiedet wurde, freilich noch keine Rede. Ralf Sotscheck

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